Entscheidungsstichwort (Thema)

Auskunftspflicht eines Access-Providers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Beschwer als von Amts wegen zu berücksichtigende Zulässigkeitsvoraussetzung der Berufung (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) bestimmt sich nach dem Sachvortrag bei Einlegung der Berufung. Die Rüge des Nichterreichens der Beschwer unterliegt nicht - weil etwa aus prozesstaktischen Gründen erst zum Schluss der mündlichen Verhandlung erhoben - dem Verspätungseinwand.

2. Rechteinhaber haben weder in direkter noch in analoger Anwendung von § 101a Abs. 1 UrhG einen Auskunftsanspruch über die Identität eines Kunden ggü. einem Access-Provider, wenn der Provider allein einen Internetzugang vermittelt, über den durch Download Urheberrechtsverletztungen nach § 19a UrhG erfolgen.

3. Durch Bereitstellung des technischen Zugangs zum Internet durch den Access-Provider kommt - nach Kenntniserlangung von den Urheberrechtsverletzungen - eine Verantwortlichkeit als Mitstörer in Betracht.

4. Die "Verpflichtungen zur Entfernung und Sperrung der Nutzung von Informationen nach den allgemeinen Gesetzen" (§ 8 Abs. 2 S. 2 TDG) eines Mitstörers umfassen nicht die Verpflichtung zur Auskunftserteilung nach § 101a Abs. 1 UrhG.

5. Eine "offensichtliche Rechtsverletzung" i.S.v. § 101a Abs. 3 UrhG liegt nur dann vor, wenn die tatsächlichen Umstände und die Rechtslage unzweifelhaft sind, so dass eine Fehlentscheidung kaum möglich ist.

 

Normenkette

UrhG § 101 Abs. 1, §§ 3, 19a; TDG § 8

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 07.07.2004; Aktenzeichen 308 O 264/04)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 8, vom 7.7.2004 (308 O 264/04) abgeändert.

Die einstweilige Verfügung des LG Hamburg, Zivilkammer 8, vom 3.6.2004 (308 O 264/04) wird aufgehoben. Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 2.6.2004 wird zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin betreibt eines der großen deutschen Unternehmen der Tonträgerindustrie. Sie ist Inhaberin von Urheberrechten.

Die Antragsgegnerin ist einer der größten Internetprovider Deutschlands und wird dabei u.a. als Zugangsprovider tätig. In dieser Funktion weist sie einem Kunden bei dessen Einwahl in das Internet, nach der Identifizierung durch Benutzername und Passwort, eine IP-Adresse zu. Nach Trennung der Verbindung steht diese IP-Adresse der Antragsgegnerin wieder frei zur Verfügung und kann einem anderen Kunden bei dessen Einwahl zugeteilt werden, weshalb die so verwendeten IP-Adressen auch als dynamische bezeichnet werden.

Die zum Zwecke der Zuweisung an ihre Kunden bei Einwahl verwendeten IP-Adressen hat die Antragsgegnerin von ihrem technischen Vorleister, der Deutschen Telekom AG, erhalten. Die Deutsche Telekom wiederum hat die IP-Adressen von dem RIPE (Réseaux IP EURpéens) Network Coordination Centre, der Vergabestelle für IP-Adressen in EURpa, in Form sog. Nummern-Blocks zugeteilt bekommen.

Für den Kunden der Antragsgegnerin garantiert die Zuweisung einer IP-Adresse die Erreichbarkeit seines Computers im Internet, so dass er auf diese Weise sowohl Verbindungen zu anderen Computern im Internet herstellen, als auch Verbindungen von anderen Computern annehmen kann.

Gegenstand dieses Rechtsstreits ist das Auskunftsverlangen der Antragstellerin ggü. der Antragsgegnerin hinsichtlich der Personalien eines Kunden der Antragsgegnerin, der unter einer von der Antragsgegnerin zugeteilten IP-Adresse einen sog. FTP-Server betreibt. Auf diesem Server sollen nach dem Vortrag der Antragstellerin Musikaufnahmen in Form sog. mp3-Dateien liegen, für die die Antragstellerin insb. das ausschließliche Recht der öffentlichen Zugänglichmachung für sich in Anspruch nimmt. Der Zugriff auf die Inhalte des FTP-Servers setzt die Kenntnis von Zugangsdaten (Benutzername und Passwort) voraus.

Der FTP-Server des Kunden ist im Internet nicht nur über die bei jeder Einwahl unterschiedliche IP-Adresse erreichbar, sondern insb. über die Domain tuvork.homeftp.net (im Folgenden Tuvork-Domain). Die Verknüpfung der wechselnden IP-Adresse mit der Tuvork-Domain wird unstreitig nicht von der Antragsgegnerin vorgenommen, sondern durch den Domain-Name-Server der Fa. Dynamic Network Services, Inc., mit Sitz in den USA. Diese Firma bietet unter der Bezeichnung "Dynamic DNS" einen Dienst an, bei dem ein Domain-Name kurzfristig mit einer neuen IP-Adresse verbunden werden kann. Auf diesem Wege ist auch ein nur temporär über dynamische IP-Adressen angebundener Computer unter einer gleichbleibenden Bezeichnung, einem Domain-Namen, für Dritte erreichbar, sofern er mit dem Internet verbunden ist. Die Mitteilung der aktuell zugewiesenen IP-Adresse des Kunden an den Domain-Name-Server der Fa. D. geschieht dabei entweder automatisch durch ein Programm auf dem Kunden-Computer oder manuell durch den Kunden selbst. Aufgrund der Struktur der Tuvork-Domain ist bei Verbindungsanfragen Dritter allein der Domain-Name-Server der Fa. D. in der Lage, die Ver...

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