Entscheidungsstichwort (Thema)
Vernehmung eines Zeugen in Rechtshilfe als Verfahrensfehler
Leitsatz (amtlich)
Die Aufnahme des Zeugenbeweises darf einem anderen Gericht nur übertragen werden, wenn von vornherein anzunehmen ist, dass das Prozessgericht das Beweisergebnis auch "ohne unmittelbaren Eindruck" von dem Verlauf der Beweisaufnahme sachgemäß zu würdigen vermag, und wenn dem Zeugen das Erscheinen vor dem Prozessgericht "wegen großer Entfernung unter Berücksichtigung der Bedeutung seiner Aussage nicht zugemutet" werden kann (§ 375 I Nr. 3 ZPO).
Normenkette
ZPO § 375 Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 16.06.2009; Aktenzeichen 2/10 O 27/06) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Sache wird an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverwiesen, das auch über die außergerichtlichen Kosten der Berufungsinstanz mit zu entscheiden haben wird.
Gerichtskosten werden für den zweiten Rechtszug nicht erhoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger nimmt den Beklagten auf Bezahlung seitens der Insolvenzschuldnerin erbrachter Leistungen in Anspruch. Hinsichtlich des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung (dort S. 3-6, Bl. 438-441 d.A.) Bezug genommen.
Das LG hat in seinem am 16.6.2009 verkündeten Urteil, hinsichtlich dessen Begründung auf die diesbezüglichen Entscheidungsgründe (S. 7-10 der angefochtenen Entscheidung, Bl. 442-445 d.A.) verwiesen wird, den Beklagten unter Aufhebung eines früheren gegen den Kläger gerichteten, klageabweisenden Versäumnisurteils zur Zahlung von 97.005,97 EUR nebst Zinsen an den Kläger verurteilt. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit dem Rechtsmittel der Berufung.
Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und beanstandet, an der landgerichtlichen Entscheidung zunächst dessen Beweiswürdigung, und zwar in Hinblick darauf, dass das LG nicht berücksichtigt habe, dass ernsthafte Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen Z1 bereits im Hinblick darauf bestanden hätten, dass nach dem vom Kläger behaupteten Ausfall des Druckers die angeblich bearbeiteten Massen exorbitant angestiegen seien. Zudem habe das LG in zwei Punkten das Verteidigungsvorbringen des Beklagten komplett übergangen. Dies betreffe zum einen die Behauptung des Beklagten, wonach die behaupteten Massen von einer Brecheranlage überhaupt nicht hätten in diesem Umfang bearbeitet worden sein können, zum anderen den Hinweis des Beklagten darauf, dass in Pos. 1.3.30 in Bezug auf das Aussortieren von Fremdstoffen trotz einer Vereinbarung von 2000 kg eine Menge von 61.200 kg berechnet worden sei.
Der Beklagte beantragt, unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Klage unter Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils des LG Frankfurt/M. vom 13.6.2006 abzuweisen, sowie ergänzend, die Sache unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung an das Gericht des ersten Rechtszuges zurück zu verwiesen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.
Hinsichtlich des Weiteren zweitinstanzlichen Parteivorbringens wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie auf die im Einzelrichtertermin am 25.1.2011 abgegebenen Erklärungen der Parteien Bezug genommen.
II. Die Berufung des Beklagten ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, mithin zulässig. In der Sache führt sie zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Gericht des ersten Rechtszuges.
1. Die Begründung, mit der das LG die von der Insolvenzschuldnerin in Ansatz gebrachten Massen als gerechtfertigt angesehen hat, ist nicht haltbar; sie beruht im Übrigen auf zu Lasten des Beklagten begangenen Verfahrensfehlern.
Ausgangspunkt der zu treffenden Entscheidung ist es, dass der Kläger die Darlegungs- und Beweislast für die von der Insolvenzschuldnerin in Rechnung gestellten Massen trägt. Die in der Berufungsbegründung geäußerte Auffassung, der Beklagte müsse den Beweis für eine angebliche Unrichtigkeit der Wiegekarten erbringen, ist demgegenüber unzutreffend. Es bedarf keiner weiteren Ausführungen, dass Formulierungen der Art "Dies bedeutet aber nicht, dass die gewogenen Mengen nicht den Tatsachen entsprechen müssten." den diesbezüglich zu stellenden Anforderungen nicht genügen. Im Einzelnen:
a) Das LG hat sich in der angefochtenen Entscheidung darauf gestützt, dass die Zeugin Z2 Wiegescheine abgezeichnet habe; die diesbezüglichen Ausführungen sind aber so nicht haltbar.
aa) Das LG hat insofern nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Zeugin Z2 die Wiegescheine, ohne ihre Richtigkeit zu überprüfen, also gleichsam "blind", abgezeichnet hat. Dies ergibt sich eindeutig aus den Bekundungen der Zeugin Z2 (S. 2-4 des Protokolls vom 7.4.2007, Bl. 270-272 d.A.), des Zeugen Z3 (S. 7 des genann...