Entscheidungsstichwort (Thema)
Erste Hilfe durch Lehrer als Amtspflicht
Leitsatz (amtlich)
1. Lehrer müssen Schülern die erforderliche und zumutbare Erste Hilfe als Amtspflicht leisten.
2. Eine Beweislastumkehr wegen grober Verletzung der Pflicht, Erste Hilfe zu leisten, findet nicht statt.
Normenkette
BGB § 839; GG Art. 34
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Urteil vom 30.11.2016; Aktenzeichen 5 O 201/15) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 30.11.2016 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Das vorliegende Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des jeweiligen Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Der Kläger nimmt das beklagte Land (nachfolgend: Beklagter) wegen behaupteter Amtspflichtverletzungen des Lehrpersonals auf Ersatz immateriellen und materiellen Schadens in Anspruch.
Der damals 1xjährige Kläger erlitt am ...201x als Schüler der Jahrgangsstufe ... der X-Schule in Stadt1 während der Teilnahme am Sportunterricht, den die Lehrperson Z1 leitete, einen körperlichen Zusammenbruch, dessen Ursache unbekannt ist und der zu einem irreversiblen Hirnschaden geführt hat.
Ca. 5 Minuten nach Beginn des Aufwärmtrainings hörte der Kläger zu laufen auf, stellte sich an die rechte Seite des Garagentors der Sporthalle und erklärte, er habe Kopfschmerzen. Er fasste sich an den Kopf und rutschte sodann an der Wand entlang in eine Sitzposition. Die Zeugin Z1 befand sich zu diesem Zeitpunkt auf der linken Seite des Garagentors.
Um 15.27 Uhr ging der von der Zeugin Z1 ausgelöste Notruf bei der Notrufzentrale ein. Sie wurde gefragt, ob der Kläger noch atme, und erhielt sodann die Anweisung, den Kläger in die stabile Seitenlage zu verbringen. Um 15.32 Uhr traf der Rettungswagen und um 15.35 Uhr der Notarzt ein. Die Sanitäter begannen sofort mit Wiederbelebungsmaßnahmen, die ca. 45 Minuten dauerten. Der Notarzt verbrachte den Kläger in die Klinik. Im Aufnahmebericht vom ...201x (Anlage K4, Anlagenband) ist u.a. vermerkt: "Beim Eintreffen des Notarztes bereits eine 8-minütige Bewusstlosigkeit ohne jegliche Laienreanimation".
Der Kläger, der seit dem ...201x als Schwerbehinderter anerkannt ist, verlangt von dem beklagten Land Ersatz immateriellen und materiellen Schadens mit der Behauptung, sein gesundheitlicher Zustand sei eine unmittelbare Folge des erlittenen hypoxischen Hirnschadens bei mangelnder Sauerstoffversorgung infolge einer unterlassenen Reanimation durch die Lehrkräfte. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands und der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Das Landgericht hat die Klage nach Vernehmung zweier Mitschülerinnen des Klägers, der Zeuginnen Z2 und Z3, und der beiden Lehrkräfte - Z1 und Z4 - abgewiesen mit der Begründung, es habe aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme nicht festzustellen vermocht, dass es bereits vor dem Erscheinen der Rettungskräfte zu einem Aussetzen der Atmung des Klägers gekommen sei und deshalb für die Zeugen Z1 und Z4 Anlass zu Wiederbelebungsmaßnahmen bestanden hätte, bzw. ob und wann die Atmung vor dem Eintreffen der Rettungskräfte ausgesetzt habe. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Klagebegehren in vollem Umfang weiter. Er rügt eine Rechtsverletzung und macht geltend, das Landgericht habe auf der Basis der durchgeführten Beweisaufnahme zu Unrecht angenommen, eine schuldhafte Amtspflichtverletzung der Zeugen Z1 und Z4 könne nicht festgestellt werden. Bereits der unstreitige Sachverhalt belege eine objektive Amtspflichtverletzung der Lehrer bei der notfallmäßigen Erste-Hilfe-Versorgung des Klägers, weil sie beim Kläger keine Atemkontrolle durchgeführt hätten, so dass es nicht darauf ankomme, ob der Kläger beim Eintreffen der Rettungskräfte noch geatmet habe. Es könne nicht richtig sein, dass die Lehrer objektiv keine ordnungsgemäße Erste Hilfe geleistet hätten und der bewusstlose Kläger dann beweisen müsse, dass er bereits aufgehört gehabt habe, zu atmen, als es für die Lehrer zumutbar gewesen sei, Wiederbelebungsmaßnahmen in Form einer Herz-Lungen-Massage zu leisten. Sofern eine objektive Amtspflichtverletzung feststehe, habe der in Anspruch Genommene nachzuweisen, dass Umstände vorlägen, unter denen die Amtspflichtverletzung nicht schuldhaft wäre. Anstatt hier dem Beklagten die weitere Beweislast aufzuerlegen, habe das Landgerich...