Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufsunfähigkeitsversicherung
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Darlegung der bislang ausgeübten Tätigkeit reicht es nicht aus, wenn die vom Versicherten wahrgenommenen betrieblichen Tätigkeitsbereiche ihrerseits nur durch Sammelbegriffe umschrieben werden.
2. Soll festgestellt werden, wie sich gesundheitliche Beeinträchtigungen in einer konkreten Berufsausübung auswirken, muss bekannt sein, wie das Arbeitsfeld des Versicherten tatsächlich beschaffen ist und welche Anforderungen im Einzelnen es an ihn stellt. Sofern der Kläger insoweit unzureichend vorträgt, trifft das Gericht gemäß § 139 ZPO eine Hinweispflicht. Wird diese nicht beachtet, sondern die Klage sogleich und für die Parteien überraschend abgewiesen, liegt ein zur Zurückverweisung führender schwerer Verfahrensfehler vor.
Normenkette
ZPO §§ 139, 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 13.08.2015; Aktenzeichen 2-23 O 371/14) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung ihres weitergehenden Rechtsmittels das am 13.8.2015 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main Az. 2-23 O 371/14 nebst dem zugrunde liegenden Verfahren aufgehoben und die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens vorbehalten wird.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der vor dem Landgericht klagende Kläger war seit 1999 versicherte Person eines von seiner Ehefrau bei der Beklagten, damals unter der Firma X AG geschlossenen Kollektivversicherungsvertrages. Die Versicherung beinhaltete neben einer Lebensversicherung eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 der Besonderen Bedingungen für den hier vereinbarten Tarif B 003 verpflichtete sich die Beklagte zur Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente, sofern die versicherte Person zu mindestens 50 % berufsunfähig "im Sinne des § 1 BBV" ist. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 der Besonderen Bedingungen für die Berufsunfähigkeitstarife liegt vollständige Berufsunfähigkeit vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich 6 Monate ununterbrochen außerstande ist, ihren Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht. Teilweise Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die in Abs. 1 genannten Voraussetzungen nur in einem bestimmten Grad voraussichtlich dauernd erfüllt sind (§ 1 Abs. 3 Besondere Bedingungen für die Berufsunfähigkeitstarife).
Seit April 2003 war der Versicherte Vorsitzender des Beirats des Unternehmens A, damit der Sache nach Vorstandsvorsitzender eines international tätigen Unternehmens. Im Mai 2008 schied er dort aus und hatte danach keine Einkünfte mehr aus selbständiger oder unselbständiger Tätigkeit.
Der damalige Kläger litt jedenfalls seit 2008 an Diabetes mellitus Typ 2, an Polyneuropathie sowie an einer depressiven Störung, die mit Antidepressiva behandelt wurde. Er konnte deswegen nur noch eingeschränkt arbeiten. Anfang November 2008 stellte er bei der Beklagten einen Antrag auf Leistungen wegen Berufsunfähigkeit.
Die Beklagte holte ein Gutachten der Psychiaterin B ein. In dem Gutachten vom 16.9.2009 attestierte diese dem Kläger eine leichte depressive Episode mit somatischem Syndrom. Der Kläger sei in der Lage, seine bisherigen Tätigkeiten auszuführen. Subjektiv stelle er zwar einen Abfall der Konzentrations- und Leistungsfähigkeit fest, da er aber noch über eine überdurchschnittliche Leistungsfähigkeit verfüge, entspreche dies noch immer dem Durchschnitt der Probanden. Auf Grundlage dieses Gutachtens lehnte die Beklagte Ansprüche ab.
Der vormalige Kläger stellte im März 2012 einen neuen Antrag auf Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung. Mit Schreiben vom 3.5.2013 erkannte die Beklagte ihre Verpflichtung zur Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente ab Februar 2011 an und erbrachte die entsprechenden Zahlungen.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stünde auch für den Zeitraum vom 1.12.2008 bis zum Januar 2011 ein Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente zu. Gegenstand der Klage sind die kumulierten Leistungsansprüche für diesen Zeitraum (170.937,56 EUR), ausgerechnete Zinsen (37.521,37 EUR) sowie Rückzahlungsansprüche bezüglich der für den gegenständlichen Zeitraum gezahlten Versicherungsprämien (22.461,18 EUR). Der Kläger hat vorgebracht, spätestens seit Dezember 2008 zu mindestens 50 % berufsunfähig gewesen zu sein.
Die Beklagte hat moniert, dass die Darlegungen des Klägers zu seiner beruflichen Tätigkeit völlig unzureichend seien und im Übrigen bestritten, dass der Kläger zu mindestens 50 % außerstande sei, die bisher erbrachten Tätigkeiten weiter ausüben zu können.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes, insbesondere auch des erstinstanzlichen Parteivorbringens, wird auf das ang...