Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtung von Dividendenzahlungen durch Insolvenzverwalter

 

Leitsatz (amtlich)

Der Insolvenzverwalter kann Dividendenzahlungen an Aktionäre nach rechtskräftiger Nichtigerklärung des der Auszahlung zugrunde liegenden Gewinnverwendungsbeschlusses nach § 134 InsO anfechten. § 62 Abs. 1 Satz 2 AktG steht einem entsprechenden Rückforderungsanspruch auch gegenüber gutgläubigen Aktionären nicht entgegen.

 

Normenkette

AktG § 62 Abs. 1 S. 2; InsO § 134

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 04.12.2019; Aktenzeichen 2-17 O 225/18)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 30.03.2023; Aktenzeichen IX ZR 121/22)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 4.12.2019, 2-17 O 225/18, abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 20.550 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.10.2017 zu zahlen.

Wegen des weitergehenden Zinsanspruchs wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der X KGaA (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin) Rückzahlung von Dividendenausschüttungen in Höhe von insgesamt 20.250 EUR, die die Beklagte für die Geschäftsjahre 2009-2012 aufgrund eines jeweils im Folgejahr gefassten Gewinnverwendungsbeschlusses erhalten hat.

Die für die Insolvenzschuldnerin erstellten und von ihr im Folgejahr beschlossenen Jahresabschlüsse wiesen für die Geschäftsjahre 2009-2012 jeweils hohe Gewinne aus.

Am 1.4.2014 wurde auf einen Antrag vom 12.11.2013 hin über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger beauftragte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft A mit der Erstellung neuer Jahresabschlüsse für die Jahre 2009-2012 (Anl. K 3 - K 6). Nach diesen Abschlüssen ergaben sich für alle diese Jahre Jahresfehlbeträge und Bilanzverluste in mehrstelliger Millionenhöhe.

Der persönlich haftende Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin, Herr C, sowie weitere an der Insolvenzschuldnerin bzw. Konzerngesellschaften beteiligten Personen wurden im Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit der Insolvenzschuldnerin und ihrer Konzerngesellschaften wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs in Tateinheit mit Kapitalanlagebetrug vom Landgericht Dresden zu teilweise hohen Freiheitsstrafen verurteilt (Urteil vom 9.7.2018, ...). Mit Urteil vom 29.10.2021 (...) hat der BGH dieses Urteil hinsichtlich der Verurteilung wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs bestätigt.

Der Kläger hat hinsichtlich der von der Insolvenzschuldnerin festgestellten Jahresabschlüsse 2009, 2010, 2011 und 2012 beim Landgericht Leipzig Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der Jahresabschlüsse und der darauf beruhenden Gewinnverwendungsbeschlüsse erhoben.

Hinsichtlich der Jahresabschlüsse 2009 und 2010 hat das Landgericht Leipzig den Nichtigkeitsfeststellungsklagen stattgegeben. Auf die Berufung der Insolvenzschuldnerin hat das OLG Dresden mit Urteilen vom 14.2.2019 (Az. ... und Az. ..., Anl. K34) hinsichtlich der Jahresabschlüsse die Nichtigkeitsfeststellungsklage als unzulässig angesehen und deshalb die Klage insoweit unter entsprechender Abänderung der erstinstanzlichen Urteile verworfen, weil der Kläger diese Jahresabschlüsse selbst mittlerweile durch von ihm neu aufgestellte Jahresabschlüsse ersetzt habe. Hinsichtlich der jeweiligen Gewinnverwendungsbeschlüsse hat es die Berufung zurückgewiesen mit der Begründung, dass die Ersetzung eines für nichtig erachteten Jahresabschlusses auch zur Nichtigkeit des auf dem ersetzten Jahresabschluss beruhenden Gewinnverwendungsbeschlusses führe.

Hinsichtlich des Jahresabschlusses 2011 hat das Landgericht Leipzig zunächst die Klage im Wesentlichen aus formalen Gründen abgewiesen. Die Berufung dagegen blieb zunächst erfolglos. Mit Urteil vom 21.4.2020, II ZR 56/18, hat der BGH das Berufungsurteil des OLG Dresden aufgehoben und in seiner Entscheidung u.a. ausgeführt, dass das Rechtsschutzinteresse des Klägers an einer Nichtigkeitsklage mit der Erstellung eines neuen Jahresabschlusses zum 31.12.2011 nicht entfallen sei, weil im Falle einer erfolgreichen Nichtigkeitsfeststellungsklage die Nichtigkeit des Jahresabschlusses und des auf ihm beruhenden Gewinnverwendungsbeschlusses als Grundlage für Gewinnauszahlungsansprüche gegenüber jedermann verbindlich feststehe (aaO. juris Rdnr. 34). Das OLG Dresden hat daraufhin mit Urteil vom 31.5.2021 (Az. ..., Anl. K79, Bl. 699 d.A.) die Nichtigkeit des von der Hauptversammlung am 15.5.2012 festgestellten Jahresabschlusses der Insolvenzschuldnerin zum 31.12.2011 sowie des Gewinnverwendungsbeschlusses vom selben Tag festgestell...

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