Normenkette

MB/KK 76 § 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2/21 O 420/97)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 21. Zivilkammer des LG Frankfurt am Main vom 21.4.1997 abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Das Urteil beschwert den Kläger mit 5.993,86 Euro.

Von der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird gem. § 543 a.F. ZPO abgesehen.

 

Gründe

Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte, bei der der Kläger eine private Krankheitskostenversicherung (MB/KK 76) unterhält, gegen ihre Verurteilung zur Erstattung der Kosten einer stationär durchgeführten Elektro-Akupunktur-Diagnostik und -Therapie nach Voll, die der Kläger wegen eines Ekzems an der gesamten Körperoberfläche in Anspruch genommen hat.

Die Berufung ist begründet, weil das in Anspruch genommene Heilverfahren nicht notwendig i.S.d. § 1 Nr. 2 MB/KK 76 gewesen ist. Notwendig ist eine Heilbehandlung, wenn sie nach objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme in vertretbarer Weise als notwendig angesehen werden kann. Dies gilt insb. für solche Heilverfahren, deren Wirksamkeit und Eignung wissenschaftlich nachgewiesen ist. Bei Beurteilung der Notwendigkeit können aber auch medizinische Erkenntnisse berücksichtigt werden, die sich im Bereich der sog. alternativen Medizin ergeben haben oder das Ergebnis der Anwendung sog. „Außenseitermethoden” sind. Stehen solche Methoden nicht zur Verfügung oder sind sie insb. bei schweren, lebensbedrohenden oder lebenszerstörenden Krankheiten erfolglos geblieben, können auch Verfahren als notwendig angesehen werden, die auf medizinischen Ansätzen beruhen und mit nicht ganz geringer Erfolgsaussicht Besserung oder Linderung als möglich erscheinen lassen (BGH v. 10.7.1996 – IV ZR 133/95, BGHZ 133, 208 f. = MDR 1996, 1125).

Der dem Kläger obliegende Beweis dieser Voraussetzungen ist nicht geführt. Das Gutachten des Arztes für Dermatologie und Allergologie Prof. Dr. R. hat ergeben, dass für die Eignung und Wirksamkeit der Elektro-Akupunktur nach Voll weder ausreichende medizinische Erkenntnisse vorliegen noch dass diese Therapie auf einem nachvollziehbaren medizinischen Ansatz beruht.

Der Sachverständige hat dargelegt, dass diese Methode nicht auf einem nachvollziehbaren medizinischen Ansatz beruht, weil die Identifizierung der in der traditionellen chinesischen Medizin angenommenen Meridiane mit Bahnen elektrischer Leitung nicht begründbar sei, ferner nicht nachvollziehbar sei, wie die durch vielerlei Parameter (z.B. Erregung, Anzahl der Schweißdrüsen, Anpressdruck, Tageszeit) beeinflussten und deshalb beliebig erscheinenden Ergebnisse der Messung des Hautleitungswiderstandes Aussagen über bei dem Patienten vorhandenen Krankheitszustände erlauben sollten. Gänzlich unverständlich sei, warum diese Methode, wenn ein in Glasampullen eingeschlossenes homöopathisches Medikament oder ein Allergen in den Stromkreislauf des Messstroms eingelegt werde (sog. Messwabe), Aussagen über die Geeignetheit des betreffenden Medikaments bzw. die Allergieanfälligkeit des Patienten gegen den betreffenden Stoff erlauben sollte. Der Einwand des Klägers, diese Feststellung des Sachverständigen beruhe auf den Ergebnissen älterer Literatur, ist unbegründet, weil es sich bei diesen Aussagen des Sachverständigen um grundsätzliche Einwände gegen diese Methode handelt, die sich als solche nicht verändert hat. Der Kläger hat auch nicht im Einzelnen dargelegt, inwiefern neuere Literatur ein anderes Ergebnis rechtfertigen könnte. Ein ergänzendes Gutachten ist daher nicht veranlasst. Der zentrale Ansatz des Elektroakupunkturverfahrens nach Voll ist daher medizinisch nicht nachvollziehbar, eine darauf gestützte Therapie und Diagnose daher nicht erforderlich.

Daran ändert nichts, dass nach der Behandlung des Klägers das vorher auf der gesamten Körperoberfläche zu beobachtende Ekzem im Wesentlichen abgeheilt war. Allerdings hat der Senat in der „Ayurveda-Entscheidung” (OLG Frankfurt, Urt. v. 18.8.1999 – 7 U 212/98, OLGReport Frankfurt 2000, 178 f.) den Standpunkt vertreten, dass bei der Beurteilung der Vertretbarkeit einer Behandlung auch berücksichtigt werden könne, dass die angewandte Methode im konkreten Fall zum Heilerfolg geführt habe. Selbst aufgrund einer derartigen Erwägung wäre aber im vorliegenden Fall die Leistungspflicht der Beklagten nicht zu begründen. Denn der Sachverständige hat festgestellt, dass intensive ärztliche Zuwendung und Milieuwechsel Umstände sind, die unabhängig von der durchgeführten Behandlung zur Besserung des bei dem Kläger vorliegenden Krankheitsbildes beigetragen haben können. Überzeugt zeigte sich der Sachverständige davon, dass jedenfalls der Placeboeffekt und der Milieuwechsel zur Besserung beigetragen haben. Damit steht aber nicht fest, dass die Heilbehandlung, nämlich die Elektro-Akupunktur nach Voll, zum Erfolg geführt hat. Denn diese Behandlung beansprucht nicht, dur...

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