Leitsatz (amtlich)
Bei der Behandlung von Hautkrebs (malignes melanom) kommt die Behandlung mit Thymus- und Ney-Präparaten als medizinisch notwendige Heilbehandlung in Betracht. Für die Kolon-Hydrothreapie und die Behandlung mit ozonisietem Sauerstoff ist insoweit ein medizinisch nachvollziehbarer Ansatz nicht festzustellen.
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 14.04.2005; Aktenzeichen 22 O 531/02) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der Einzelrichterin der 22. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 14.4.2005 - 22 O 531/02 - teilweise abgeändert und neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.125,53 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26.11.2002 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen trägt der Kläger 40 %, die Beklagte 60 %.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 13.226 EUR.
Gründe
A. Der Kläger nimmt die Beklagte wegen Leistungen aus der Krankheitskostenversicherung in Anspruch, die die Behandlung seiner mitversicherten Ehefrau (nachfolgend: Versicherte) betreffen. Der Krankheitskostenversicherung liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten zugrunde, die die Musterbedingungen 1994 - MB/KK 94 - enthalten. Die tarifmäßig vereinbarte Erstattungspflicht der Beklagten beläuft sich für die zu 50 % beihilfeberechtigte Versicherte auf 50 % der Kosten medizinisch notwendiger Heilbehandlungen.
Bei der Versicherten wurde im Oktober 2001 ein knotig wachsendes malignes Melanom im linken Unterschenkel diagnostiziert, das sich nach ambulanter Exzision als deutlich invasiv mit einem Clark-Level IV/V und einer Tumoreindringtiefe von 3,4 mm nach Breslow erwies. Anschließend erfolgte im November 2001 eine Nachexzision der Tumorumgebung. Im Januar 2002 erfolgte die Entfernung von zwei erstdrainierenden Lymphknoten, deren histologische Untersuchung keinen Nachweis von Tumorzellen ergab. Diagnostiziert wurde ein Melanom des Stadiums II a.
Vom 25.02. bis 28.3.2002 wurde die Versicherte stationär überwiegend naturheilkundlich behandelt. Die Erstattung der Kosten für eine vergleichbare ambulante Therapie, die die Versicherte ab April 2002 durchgeführt hat, wurden von der Beklagten unter Hinweis auf die fehlende medizinische Notwendigkeit nicht ausgeglichen.
Im Juli 2003 wurden bei der Versicherten pathologisch vergrößerte Lymphknoten in der Leiste des linken Beines festgestellt. Es erfolgte die Entfernung von zwei vergrößerten Lymphknoten. Eine chirurgische Ausräumung der genannten Lymphregion ("radikale Lymphknotenektomie") wurde nicht durchgeführt. Der zu diesem Zeitpunkt bestehende Verdacht auf eine singuläre Lungenmetastasierung hat sich im Rahmen einer Kontrolluntersuchung im September 2003 nicht bestätigt. Im Anschluss an die Entfernung der Lymphknoten erfolgte eine adjuvante niedrig-dosierte Interferon-Therapie, die von der Versicherten nach kurzer Zeit - nach ihrer Behauptung wegen Unverträglichkeit - abgebrochen wurde. Die Versicherte setzte die naturheilkundliche Behandlung fort.
Die Parteien streiten um die medizinische Notwendigkeit folgender Behandlungsmaßnahmen:
- Eigenblutbehandlung mit aktivem ozonisiertem Sauerstoff
- Kolon-Hydro-Therapie
- Akupunktur
- Thymus- und Ney-Präparate.
Die dafür im Zeitraum von April 2002 bis Oktober 2002 angefallenen und von der Beklagten nicht erstatteten Behandlungskosten sind Gegenstand der vorliegenden Klage (wegen der Abrechnungen der Beklagten und den diesen zugrunde liegenden Rechnungen wird auf die Anl. K 7 bis K 13 - Bl. 24 bis 82 d.A.) Bezug genommen.
Das LG hat die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens abgewiesen. Es hat sich der Ansicht des Sachverständigen angeschlossen, bei den streitgegenständlichen Behandlungsmethoden handele es sich um keine Therapiemaßnahmen im Sinne einer evidenzbasierten Medizin, d.h. es handele sich nicht um Therapieformen, die sich auf fundierte Ergebnisse nachvollziehbarer wissenschaftlicher Forschung stützen. Die Behandlungsmaßnahmen seien zur adjuvanten Therapie des malignen Melanoms nicht indiziert. Eine schulmedizinisch anerkannte Behandlungsalternative stehe mit der Gabe von Interferon zur Verfügung, bei der es in Deutschland einen allgemein wissenschaftlich anerkannten Wirksamkeitsnachweis gebe.
Dagegen wendet sich der Kläger mit dem Rechtsmittel der Berufung unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags. Er bezweifelt unter Hinweis auf Stimmen in der medizinischen Literatur die Wirksamkeit einer Interferon-Behandlung. Auch die bei der Versicherten angewandten Behandlungsmethoden würden auf einem wissenschaftlich nachvollziehbaren Ansatz beruhen. Sie seien aus einer ex-ante-Position wahrscheinlich geeignet gewesen, zur Verhinderung einer Verschlimmerung oder zur Verlangsamung der Erkrankung der Versicherten beizutragen.
Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil abzuä...