Entscheidungsstichwort (Thema)
Unlautere Geltendmachung von Forderungen aus "Abofallen". Eingriff in den Gewerbebetrieb durch Aufforderung zur Kündigung des Girokontos
Leitsatz (amtlich)
1. Ist eine auf Abschluss eines entgeltlichen Abonnementsvertrages gerichtete Angebotsseite im Internet allein darauf angelegt, einen - wenn auch nur kleinen - Teil der Verbraucher über die Kostenpflichtigkeit des Angebots zu täuschen (sog. "Abofalle"), ist die Geltendmachung vermeintlicher Forderungen, die sich aus Anmeldungen über diese Seite ergeben sollen, unlauter; dies gilt auch für die Tätigkeit eines zu diesem Zweck eingeschalteten Inkassounternehmens, wenn das Inkassounternehmen über den der vermeintlichen Forderung zugrunde liegenden Sachverhalt informiert ist.
2. Fordert in dem unter Ziff. 1. geschilderten Fall ein Verbraucherschutzverband die Bank, bei der das Inkassounternehmen ein Girokonto unterhält, unter Hinweis auf das Geschäftsgebaren des Inkassounternehmens und seines Mandanten zur Kündigung dieses Girokontos auf, liegt darin jedenfalls dann ein rechtswidriger Eingriff in den Gewerbebetrieb des Inkassounternehmens, wenn der Verbraucherschutzverband zuvor nicht den Versuch unternommen hat, gegen das Verhalten des Inkassounternehmens ein gerichtliches Verbot zu erwirken.
Normenkette
BGB § 823; UWG § 5
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 27.07.2012; Aktenzeichen 3-10 O 17/12) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 27.7.2012 verkündete Urteil der 10. Kammer für Handelssachen des LG Frankfurt a.M. abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung von Ordnungsgeld bis 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an ihrem Vorsitzenden, für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, Kreditinstitute, bei denen die Klägerin ein Girokonto unterhält, dazu aufzufordern, dieses Girokonto zu kündigen und/oder zu sperren und hierzu
1. über die Klägerin zu behaupten, dass diese mit dem Inkasso von unberechtigten Forderungen beauftragt wurde,
sowie
2. über eine Mandantin der Klägerin zu behaupten, diese handele offenkundig wettbewerbswidrig und/oder unterhalte rechtswidrige Internetseiten und/oder erfülle den Tatbestand des Betruges, insbesondere so, wie mit Schreiben der Beklagten unter dem 3.8.2011 durch die Sachbearbeiterin Frau A in Anlage K 3 und Anlage 5 der Beklagten geschehen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 27.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin macht als Inkassounternehmen für die Fa. B Forderungen geltend, die sich daraus ergeben sollen, dass Verbraucher sich im Internet auf der Seite "... de" angemeldet haben, die wie folgt gestaltet war:
(Es folgt ein Screenshot, der aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht dargestellt wird - die Red.)
Nachdem ein Herr C eine entsprechende Rechnung der Fa. B erhalten hatte, wandte er sich an den beklagten Verbraucherschutzverband, der namens des Herrn C die Anfechtung des Vertrages nach § 123 BGB erklärte. Ungeachtet dessen sandte die nunmehr mit der Forderungseinziehung beauftragte Klägerin Herrn C zwei Mahnungen; vor der zweiten Mahnung hatte die Beklagte die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Forderung nicht bestehe. Mit Schreiben vom 3.8.2011 forderte die Beklagte die Bank 1 auf, das dort bestehende Girokonto zu kündigen und zu sperren. Zur Begründung wies sie darauf hin, dass die Internetseiten der Fa. B rechtswidrig und wettbewerbswidrig seien sowie der Tatbestand des Betruges erfüllt sei; die Klägerin mache daher unberechtigte Forderungen geltend. Mit der Klage nimmt die Klägerin die Beklagte auf Unterlassung derartiger Kündigungsaufforderungen in Anspruch.
Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, mit dem die Klage abgewiesen worden ist, Bezug genommen (§ 540 I, 1 ZPO). Mit der Berufung verfolgt die Klägerin das abgewiesene Klagebegehren weiter. Im Berufungsverfahren wiederholen und vertiefen beide Parteien ihr erstinstanzliches Vorbringen; wegen der Einzelheiten wird auf die nachfolgenden Ausführungen unter II. sowie die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.
Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils der Beklagten aufzugeben, es bei Meidung von Ordnungsgeld bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollziehen an dem bzw. der Vorsitzenden der Beklagten, zu unterlassen, Kreditinstitute, bei denen die Klägerin ein Girokonto unterhält, dazu aufzufordern, dieses Girokonto zu kündigen und/oder zu sperren und hierzu
a) über die Klägerin zu behaupten, dass diese mit dem Inkasso von unberechtigten Forderungen beauftragt wurde,
sowie
b) über eine Mandantin der Klägerin z...