Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütung aus gekündigtem Architektenvertrag
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 08.11.2021; Aktenzeichen 2-20 O 63/21) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung ihres weitergehenden Rechtsmittels das am 8. November 2021 verkündete Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main, Az. 2-20 O 63/21, zum Teil abgeändert und wie folgt insgesamt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 109.208,83 EUR nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. seit dem 15. Juli 2021 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagte zu 57% und die Klägerin zu 43 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des gegen sie zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Gebührenstreitwert für die Berufungsinstanz wird auf bis zu 185.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt im Wesentlichen Restzahlung von Vergütungsansprüchen nach Kündigung des Architektenvertrages.
Die Klägerin betreibt ein Architekturbüro. Die Beklagte ist eine Projektgesellschaft, die für das Bauvorhaben in der Straße1 in ... Stadt1 gegründet wurde.
Die Parteien schlossen am 5. Dezember 2017 einen Architektenvertrag für Gebäude (HOAI 2013), auf den vollumfänglich verwiesen wird (Bl. 19 ff. d. A. im Folgenden "der Architektenvertrag"). Für die Erbringung der Leistungsphasen 1 bis 8 (im Folgenden auch "LPH") wurde nach § 3.3 ein Honorar in Höhe von 180.000,00 EUR pauschal netto vereinbart, wobei auf das Leistungspaket 1 (LPH 1 - 4) 40.000,00 EUR und auf das Leistungspaket 2 (LPH 5 - 8) 140.000,00 EUR (aufgeteilt auf 13 Monate á 10.000,00 EUR, Schlusszahlung 10.000,00 EUR nach Fertigstellung) entfallen sollten. Die Umsatzsteuer zu den Honoraren sollte gemäß § 3.5 zusätzlich in Rechnung gestellt werden. § 3.6 lautete wörtlich "Das Honorar wird fällig, wenn der Architekt die Leistungen vertragsgemäß erbracht und eine prüffähige Honorarteilschlussrechnung für diese Leistungen (=Abnahme der Leistungen des Architekten) überreich hat. Zahlungen nach Zahlungsplan gem. § 3 Punkt 3.3".
Die Klägerin erbrachte sodann Architektenleistungen. Bei dem Bauvorhaben wurde ein Bestandsgebäude saniert und aufgestockt sowie ein Neubau errichtet.
Die Beklagte zahlte auf die Abschlagsrechnung 1806-082 (AZ 1) 40.000,00 EUR plus Umsatzsteuer. Auf die Abschlagsrechnung 1806-111 (AZ 2) zahlte die Beklagte 20.700,00 EUR plus Umsatzsteuer. Auf die Abschlagsrechnungen 1901-021 (AZ 4) und 1904-053 (AZ 6) zahlte die Beklagte jeweils 10.350,00 EUR plus Umsatzsteuer an die Klägerin. Insgesamt leistete die Beklagte an die Klägerin hinsichtlich der Objektplanung aus dem Architektenvertrag 81.400,00 EUR (netto), 96.866,00 EUR (brutto).
Auf die folgenden Abschlagsrechnungen (AZ Nr. 3, 5, 7, 8 und 9) zahlte die Beklagte nicht mehr:
Rechnung Nr. 1808-154 vom 13. Dezember 2018 (Bl. 34 d. A.);
Rechnung Nr. 1903-041 vom 13. März 2019 (Bl. 35 d. A.);
Rechnung Nr. 1905-056 vom 10. Mai 2019 (Bl. 36 d. A.),
8. Abschlagsrechnung Nr. 2001-011 vom 21. Januar 2020 (Bl. 37 d. A.);
9. Abschlagsrechnung Nr. 2002-027 vom 4. Februar 2020 (Bl. 38 d. A.).
Die Klägerin mahnte die Beklagte mehrfach erfolglos selbst und durch den Klägervertreter.
Die Klägerin zeigte hinsichtlich des Bauvorhabens die Benutzung vor Fertigstellung zum 27. Februar 2020 gegenüber der Bauaufsicht an (Anlage B1/Bl. 127 f. d. A.). Da die der Anzeige beigefügten Unterlagen unvollständig waren, zog die Klägerin nach Hinweisen der Behörde diese Anzeige wieder zurück, ohne die Beklagte hiervon zu informieren.
Mit anwaltlichen Schreiben vom 19. und 24. März 2020 erklärte die Klägerin die außerordentliche Kündigung des Architektenvertrages (auf Bl. 26 f. u. Bl. 30 f. d. A. wird verwiesen). Mit anwaltlichen Schreiben vom 24. März 2020 erklärte auch die Beklagte die fristlose Kündigung des Architektenvertrages (Bl. 46 f. d. A.).
Zu diesem Zeitpunkt war mindestens in einer Wohnung der Bodenbelag noch nicht fertig. Der Hausflur und der Außenbereich waren ebenfalls noch nicht fertiggestellt.
Aufgrund der beiderseitig erklärten Kündigungen setzte die Beklagte ein anderes Architekturbüro ein, um die Fertigstellung des streitgegenständlichen Gebäudes und der Außenanlagen zu bewirken.
Mit Schreiben vom 20. März 2020 forderte die Klägerin die Beklagte dazu auf, die Abnahme ihrer Leistungen zu erklären (Bl. 48 d. A.), was die Beklagte aber unter Hinweis auf Mängel verweigerte (Anlage B3, Bl. 132 f. d. A.).
Es kam spätestens im April 2020 auf der streitgegenständlichen Baustelle zu Beanstandungen der Bauaufsicht der Stadt Stadt1 (auf Anlage BB3, Bl. 354 d. A. und Anlage BB4, Bl. 355 d. A. wird verwiesen.)
Unter dem 8. September 2020 erstellte die Klägerin die S...