Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Haftungsverteilung nach §§ 426 BGB, 17 StVG bei Sicherungsübereignung
Leitsatz (amtlich)
1. Macht der Sicherungsnehmer Ansprüche der Sicherungseigentümerin geltend, findet keine Haftungsverteilung nach § 17 StVG statt, weil diese nicht Halterin des Fahrzeugs ist und sich auch durch Abtretung oder Prozessstandschaft daran nichts ändert.
2. Eine Haftungsverteilung nach den Rechtsinstituten der gestörten Gesamtschuld, Drittschadensliquidation oder der Anwendung des § 242 BGB ist nicht möglich.
3. Ansprüche, die unmittelbar aus der Besitzbeeinträchtigung herrühren, wie z.B. Nutzungsausfall, unterfallen als eigenständige Schadenspositionen des Halters der Haftungsverteilung nach § 17 Abs. 2 StVG.
4. Eine Haftungsverteilung kommt bei Sicherungsübereignung nach der Rechtsprechung des BGH vom 27.10.2020 - XI ZR 429/19 - möglicherweise über das Rechtsinstitut der Teilgläubigerschaft in Betracht. Dies setzt allerdings voraus, dass das Sicherungseigentum als dingliches Recht angesehen werden kann. Dies ist nur der Fall, wenn die Sicherungsübereignung auflösend bedingt erfolgt ist. Ein lediglich schuldrechtlich vereinbarter Rückübereignungsanspruch bei Vertragsende reicht dafür nicht aus.
Normenkette
BGB §§ 242, 426; StVG § 17
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Urteil vom 11.01.2021; Aktenzeichen 4 O 374/18) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 11.1.2021 - 4 O 374/18 - werden zurückgewiesen.
Von den Kosten der Berufungsinstanz tragen der Kläger 10 %, die Beklagte 90 %
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das angefochtene Urteil wird für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung erklärt. Die Parteien können die Zwangsvollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des beizutreibenden Betrages leistet.
Der Gegenstandswert für die Berufungsinstanz wird auf 8.603,73 EUR festgesetzt.
Die Revision wird nach Maßgabe der Entscheidungsgründe zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom XX.XX.2018 in Stadt1. Der Kläger war zum Unfallzeitpunkt Halter des PKW Marke1 Modell1 mit dem Kennzeichen .... Das Fahrzeug war zum Unfallzeitpunkt an die X sicherungsübereignet. Die Finanzierung war unter dem 18.10.2016 in einer Höhe von 28.900 EUR erfolgt. Zum Unfallzeitpunkt bestand noch eine Darlehensforderung von 25.073,52 EUR.
Die Beklagte war zum Unfallzeitpunkt Haftpflichtversicherer des LKWs mit dem amtlichen Kennzeichen ....
Am Unfalltag war das klägerische Fahrzeug in Stadt1 Stadtteil1 in Höhe der Adresse Straße1 in einer von mehreren nebeneinanderliegenden rechtwinklig zur Fahrbahn angeordneten und durch den Bürgersteig von der Fahrbahn getrennten Parktaschen rückwärts, also mit der Front in Richtung Fahrbahn, geparkt. Gleichzeitig war dort das Beklagtenfahrzeug vor einigen der Parktaschen parallel zur Fahrbahn dergestalt abgestellt, dass die rechten Räder auf dem Bürgersteig und die linken Räder auf der Fahrbahn standen.
Die Fahrer beider Fahrzeuge wollten etwa zum gleichen Zeitpunkt mit ihren Fahrzeugen wegfahren. Dabei kollidierten beide Fahrzeuge und es entstand jedenfalls am klägerischen Fahrzeug ein Sachschaden. Der Kläger holte ein Sachverständigengutachten zur Ermittlung der Reparaturkosten ein. Das Gutachten bezifferte die erforderlichen Reparaturkosten auf netto 5.356,37 EUR und die entstandene Wertminderung auf 850 EUR. Der Sachverständige stellte dem Kläger einen Rechnungsbetrag von 975,41 EUR brutto in Rechnung.
Der Klägervertreter forderte unter dem 18.10.2018 die Beklagte zur Zahlung des Gesamtschadensbetrages auf und wiederholte dies nochmals mit Schreiben vom 19.11.2018. Mit Schreiben vom 13.3.2019 erklärte die Sicherungsnehmerin ihr Einverständnis damit, dass der Kläger etwaige Versicherungsansprüche im eigenen Namen und auf eigene Rechnung geltend mache.
Der Kläger hat erstinstanzlich behauptet, der Fahrer seines Fahrzeugs sei bereits langsam über den Bürgersteig gefahren, als er bemerkt habe, wie das andere Fahrzeug losgefahren sei. Er sei sofort stehen geblieben und habe andauernd gehupt. Dennoch sei das Fahrzeug weitergefahren und gegen sein Fahrzeug gestoßen, habe dies auch vor sich hergeschoben.
Neben der Bezifferung verschiedener Schadenspositionen hat der Kläger zugleich Antrag auf Feststellung gestellt, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihn von allen weiteren materiellen Schäden freizustellen, wobei sich dies auf den Nutzungsausfall und die Mehrwertsteuer für den Fall der Reparatur des Fahrzeugs bezog.
Die Beklagte hat verschiedene Schadenspositionen hinsichtlich ihrer Berechtigung bestritten und außerdem ausgeführt, dass das Fahrzeug des Klägers erst dann vor ihr Fahrzeug gefahren sei, als dieses bereits losgefahren sei. Der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs hätte den Fahrer ihres Fahrzeugs bemerken müssen, da sich dieser...