Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässiges Erfolgsversprechen für "perfekte Zähne"

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein unzulässiges Erfolgsversprechen nach § 3 S. 1 Nr. 2a HWG kann auch dann vorliegen, wenn die beworbene Wirkung (hier: perfekte Zähne) zwar nicht vollständig objektivierbar ist, ihr jedoch jedenfalls ein objektiver Tatsachenkern zu entnehmen ist.

2. Der Verbraucher ist bei Werbeaussagen von Ärzten aufgrund deren Heilauftrages wenig geneigt, von reklamehaften Übertreibungen auszugehen.

 

Normenkette

HWG § 3 S. 1 Nr. 2a; MPG § 3 Nr. 1c; UWG § 8 Abs. 1, 3 Nr. 1; ZPO §§ 935, 940

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 18.09.2019; Aktenzeichen 3-8 O 68/19)

 

Tenor

1.) Auf die Berufung des Antragstellers wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 18.09.2019, Az. 3-08 O 68/19 abgeändert.

Der Beschluss - einstweilige Verfügung - des Landgerichts vom 03.07.2019 wird im Sinne eines Neuerlasses bestätigt.

2.) Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Antragsgegnerin.

3.) Das Urteil ist rechtskräftig.

 

Gründe

I. Die Parteien sind Kieferorthopäden. Sie streiten im Eilverfahren über Werbeaussagen der Antragsgegnerin für das von ihr angebotene "Invisalign"-Zahnschienen-System auf der von ihr verantworteten gleichnamigen Homepage.

Das Landgericht Frankfurt hat durch Beschluss vom 03.07.2019 - soweit in der Berufung noch von Interesse - der Antragsgegnerin u.a. untersagt, im geschäftlichen Verkehr in Deutschland zu Zwecken des Wettbewerbs mit den Aussagen zu werben:

a) "Ilovemysmile ist eine kostengünstige individuelle Zahnspange für Leute, die wenig Zeit haben und trotzdem perfekte Zähne haben möchten. Sie sehen sofort beim ersten Termin, welche Ergebnisse Sie innerhalb von 6 Monaten erreichen können."

c) "Bei ilovemysmile erhält man vierzehn Schienen für jeden Kiefer, die man jeweils 2 Wochen trägt, jede Schiene ist anders und verändert Ihre Zähne Schritt für Schritt ... Und bald werden Sie auf Fotos deutlich schöner Lächeln"

Auf den hiergegen eingelegten Widerspruch hat das Landgericht durch Urteil vom 18.09.2019, auf das gem. § 540 I ZPO wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, die einstweilige Verfügung aufgeboben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Antragsgegnerin erwecke nicht fälschlich den Eindruck, dass ein Erfolg - perfekte Zähne - mit Sicherheit erwartet werden könne. Es handele sich insoweit nicht um eine objektive Tatsachenbehauptung, sondern um ein Werturteil; im Übrigen liege erkennbar eine reklamehafte Übertreibung vor. Gleiches gelte für "schöner Lächeln", weshalb ein Verstoß gegen § 3a HWG nicht vorliege.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Antragstellers.

Der Antragsteller beantragt:

Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 18.09.2019, Az. 3-08 O 68/19 wird es der Antragsgegnerin und Berufungsbeklagten bei Meidung von Ordnungsgeld von bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung untersagt, im geschäftlichen Verkehr in Deutschland zu Zwecken des Wettbewerbs mit den Aussagen zu werben.

a) "Ilovemysmile ist eine kostengünstige individuelle Zahnspange für Leute, die wenig Zeit haben und trotzdem perfekt Zähne haben möchten. Sie sehen sofort beim ersten Termin, welche Ergebnisse Sie innerhalb von 6 Monaten erreichen können."

b) (...)

c) "Bei ilovemysmile erhält man vierzehn Schienen für jeden Kiefer, die man jeweils 2 Wochen trägt, jede Schiene ist anders und verändert Ihre Zähne Schritt für Schritt ... Und bald werden Sie auf Fotos deutlich schöner Lächeln"

d) (...)

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

II. Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Der Antragstellerin steht aus §§ 8 I, III Nr. 1, 3a UWG i.V.m. § 3 Nr. 1c MPG, § 3 S. 1 Nr. 2a) HWG der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu, da die Antragsgegnerin entgegen § 3 Nr. 1c MPG, § 3 S. 1 Nr. 2a) HWG den Eindruck erweckt hat, dass ein Erfolg der beworbenen Behandlung mit Sicherheit erwartet werden kann.

1.) Das Landgericht ist zu Recht von einer Anwendbarkeit des § 3 S. 1 Nr. 2a HWG ausgegangen. Nach § 3 Nr. 1c MPG handelt es sich bei einer Zahnspange um ein Medizinprodukt, nämlich um einen Gegenstand, der der Veränderung des anatomischen Aufbaus zu dienen bestimmt ist, ohne ein Arzneimittel zu sein. Somit finden nach § 1 I Nr. 1 a HWG die Regelungen des HWG Anwendung. Ihren erstinstanzlichen Vortrag, wonach es sich bei ihren Zahnspangen um Kosmetikprodukte handele, hat die Antragsgegnerin im Berufungsverfahren auch nicht weiterverfolgt.

2.) Der Antragsgegner hat durch die streitgegenständlichen Aussagen entgegen § 3 S. 1 Nr. 2a HWG fälschlich den Eindruck erweckt, dass ein Erfolg mit Sicherheit erwartet werden kann.

a) Hinter der Regelung in § 3 S. 1 Nr. 2a) HWG steht der Gedanke, dass es aufgrund individueller Dispositionen beim einzelnen Patienten und variierenden Erscheinungsformen von Krankheiten stets zu einem Therapieversagen kom...

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