Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfügungsgrund bei Schutzrechtsverletzungen, insbesondere Zurechnung der Kenntnis eines "Wissensvertreters"; Verwendung einer fremden Marke als Bestimmungsangabe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Erfordernis des Verfügungsgrundes für ein Eilverfahren ist ungeachtet der Vorschriften der Durchsetzungsrichtlinie (RL 2004/48/EG) auch bei Schutzrechtsverletzungen nicht entbehrlich.

2. Der Verfügungsgrund entfällt, wenn der Verletzte längere Zeit untätig geblieben ist, obwohl er Kenntnis von den Tatsachen hatte, die den Schutzrechtsverstoß begründen, oder wenn er sich bewusst dieser Kenntnis verschlossen hat.

3. Ausreichend für die Kenntnis im Sinne von Ziff. 2. ist der Kenntnisstand eines "Wissensvertreters", d.h. eines Mitarbeiters, von dem nach seiner Funktion erwartet werden darf, dass er das "Störende" des zu beanstandenden Verhaltens erkennt und seine Kenntnis auch an diejenigen Personen seines Unternehmens weitergibt, die zur Entscheidung über das Einleiten entsprechender Reaktionen befugt sind. Nicht als "Wissensvertreter" in diesem Sinn einzustufen ist der Bearbeiter einer Verbraucherbeschwerde, wenn sich aus der Anlage zur dieser Beschwerde zwar der Gebrauch eines möglicherweise markenverletzenden Domainnamens ergibt, dieser Umstand jedoch für die Bearbeitung der Beschwerde ohne Bedeutung ist.

4. Wird eine fremde Marke - sei es im Rahmen eines verwechslungsfähigen Kombinationszeichens, sei es innerhalb eines sog. "sprechenden" Domainnamens - durch einen Dritten verwendet, um damit die Bestimmung der eigenen Leistung des Dritten für die unter der Marke angebotenen fremden Waren oder Dienstleistungen anzugeben, ist dies jedenfalls dann sittenwidrig und damit durch den Erlaubnistatbestand des § 23 Nr. 3 MarkenG nicht gedeckt, wenn durch die konkrete Benutzung der Marke der unzutreffende Eindruck erweckt wird, der Dritte erbringe seine Leistungen im Auftrag des Markeninhabers.

 

Normenkette

MarkenG §§ 14, 23 Nr. 3; EGRL 48/2004

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 02.10.2013; Aktenzeichen 3-8 O 103/13)

 

Tenor

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 2.10.2013 verkündete Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des LG Frankfurt/M. wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist rechtskräftig.

 

Gründe

I. Von der Darstellung des Sachverhalts wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO abgesehen. Das LG hat der Antragsgegnerin durch Beschlussverfügung vom 15.7.2013 u.a. untersagt,

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Durch das angefochtene Urteil hat das LG diese einstweilige Verfügung mit der Maßgabe bestätigt, dass der Domainname (Ausspruch zu I. 2.) nur für die Dienstleistungen "Hilfestellung bei der Erlangung von Selbstauskünften und anwaltliche Überprüfung der erlangten Selbstauskünfte" nicht verwendet werden darf.

Dagegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Antragsgegnerin, die ihr erstinstanzliches Ziel der Abweisung des Eilantrags weiterverfolgt.

II. Das Rechtsmittel ist nicht begründet, weil das LG der Antragsgegnerin mit Recht im Wege der Eilentscheidung verboten hat, durch die oben dargestellte Bewerbung ihres Dienstleistungsangebots die Markenrechte der Klägerin zu verletzen. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung, denen er folgt. Die Berufungsbegründung rechtfertigt keine davon abweichende Beurteilung:

1. Die Antragsgegnerin bemängelt, der Eilantrag sei nicht hinreichend bestimmt, weil unklar geblieben sei, ob die Antragstellerin ihr Unterlassungsbegehren auf Wiederholungsgefahr oder auf eine drohende Erstbegehung stütze.

Dieser Einwand ist unberechtigt. Die Antragstellerin hat von Anfang an klargestellt, dass sie den Anlass ihres Eilbegehrens in dem Schreiben der Gegenseite vom 4.7.2013 sieht (Anlage AST 5). Darin trägt die Antragsgegnerin selbst vor, ihre Dienstleistungen in sog. "Google Adwords"-Anzeigen unter Verwendung der im Unterlassungsantrag zu I.1. aufgeführten Anzeigentexte und unter der im Unterlassungsantrag zu I. 2. angegriffenen Internet-Domain beworben zu haben und dass sie begehrt, ihre Werbung fortsetzen zu können. Durch die Bezugnahme auf dieses Schreibe...

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