Entscheidungsstichwort (Thema)
Anbieter von Unternehmenssoftware haftet für einwilligungsfreie Cookie-Speicherung über Webseiten Dritter
Leitsatz (amtlich)
Willigen Endnutzer nicht in die Speicherung von Cookies auf ihren Endgeräten gegenüber den Webseiten-Betreibern ein, die Cookies verwenden, haftet der Anbieter für die mit seiner Unternehmenssoftware begangene Rechtsverletzung. Es entlastet ihn nicht, dass nach seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Webseiten-Betreiber für die Einholung der Einwilligung verantwortlich sind.
Normenkette
TTDSG §§ 2, 25; EUVO 679/2016
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 03.11.2023; Aktenzeichen 2-02 O 217/22) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
1. Auf die Berufung der Verfügungsklägerin wird das am 03.11.2023 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main (2-02 O 217/22) dahingehend abgeändert, dass die einstweilige Verfügung des Landgerichts vom 16.09.2022 im Sinne eines Neuerlasses mit folgendem Tenor bestätigt wird:
Die Verfügungsbeklagte wird unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 03.11.2023 zum Aktenzeichen 2-02 O 217/22 verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollziehen an ihren gesetzlichen Vertretern, zu unterlassen,
ohne informierte Einwilligung der Verfügungsklägerin auf deren Endeinrichtungen, wie PC, Tablet, Laptop oder Telefon Cookies und ähnliche Technologien einzusetzen, insbesondere Identifikatoren auf ihren Endeinrichtungen zu speichern oder aus diesen Endeinrichtungen auszulesen, um das Verhalten der Verfügungsklägerin im Internet zu werblichen Zwecken zu verfolgen bzw. verfolgen zu lassen,
wenn das geschieht, wie in Anlage ASt 2 auf Seite 28 bis Seite 38 festgestellt.
2. Die Kosten des Verfügungsverfahrens trägt die Antragsgegnerin.
Gründe
I. Die Parteien streiten im Rahmen des einstweiligen Rechtschutzes über die Zulässigkeit der Speicherung und des Auslesens von Cookies durch die Verfügungsbeklagte zu werblichen Zwecken auf bzw. von Endgeräten der Verfügungsklägerin ohne deren Einwilligung.
Die Verfügungsbeklagte hat ihren Sitz in Land1 und ist eine Tochtergesellschaft der A Corporation (nachfolgend "A"). Sie bietet Unternehmenssoftware und zugehörige Dienste für Unternehmenskunden in der EU an, einschließlich Werbe- und Analysedienste, darunter auch "A Advertising", das bis 2019 als "Suchmaschine1 Ads" vertrieben wurde.
A Advertising ermöglicht es Webseiten-Betreibern, Anzeigen in den Suchergebnissen des "A Search Network" (einschließlich Suchmaschine1, Suchmaschine2 und Suchmaschine3) zu schalten und den Erfolg ihrer Werbekampagnen zu messen. Wenn ein Webseiten-Betreiber beispielsweise auf seiner eigenen Webseite Produkte zum Verkauf anbietet, kann er A Advertising nutzen, um Informationen über die Besucher seiner Webseite zu sammeln, Interessengruppen zu bilden, die aus mehreren Besuchern bestehen, die ähnliche Verhaltensweisen auf seiner Webseite an den Tag gelegt haben, und um den Besuchern aus diesen Interessengruppen Anzeigen für ihre Produkte auf der Suchmaschine1 oder auf anderen Partner-Webseiten zu zeigen. Webseiten-Betreiber können auch Besucher, die eine spezielle Produktseite besucht haben, gezielt darauf gerichtete Anzeigen schalten.
Die Verfügungsbeklagte verwendet laut ihrer Datenschutzrichtlinie (Anlage Ast 1) Cookies und ähnliche Technologien, um Präferenzen und Einstellungen der Kunden zu speichern und einzuhalten. Danach werden auch Cookies eingesetzt, um die Daten der Onlineaktivität zu erfassen und um die Interessen der Nutzer zu identifizieren, so dass solche Werbung angezeigt werden kann, die für den Nutzer relevant ist. Die Verfügungsbeklagte stellt den Drittanbieter-Webseiten, die A Advertising nutzen, einen "Code" zur Verfügung, den die Webseiten-Betreiber in ihre eigenen Webseiten-Codes (also: ihre Webseiten-Programmierung) einpflegen können. Dieser Code kann in verschiedene Anwendungen (z.B. Webseiten, Onlinedienste und Apps - im Folgenden beispielhaft beschränkt auf Webseiten) eingebunden werden.
Bei Aufruf der Webseite und Ausführung des Codes wird, abhängig von der konkreten Implementierung durch den Drittanbieter, durch die Verfügungsbeklagte ein Cookie gesetzt oder, falls das Cookie bereits gesetzt ist, dessen Wert gelesen. Ein Webserver setzt oder liest ein Cookie auf einer bestimmten Endeinrichtung somit nur dann, wenn die Webseite, die die Endeinrichtung aufruft, auch entsprechend programmiert ist. Abhängig von der konkreten Implementierung des Codes sendet die Drittanbieter-Webseite ein Signal an den Webserver der Verfügungsbeklagten und fordert das Setzen oder Lesen eines Cookies an. Die fraglichen Cookies werden nur dann gesetzt, wenn die Drittanbieter-Webseite ein entsprechendes Signal sendet.
Die von der Verfügungsklägerin...