Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksamkeit einer zwanzigjährigen Selbstnutzungsverpflichtung beim Grundstückskaufvertrag; "Einheimischenmodell"
Leitsatz (amtlich)
Eine zwanzigjährige Selbstnutzungsverpflichtung mit den Grundstückswert überschreitender Nachzahlungsverpflichtung ist auch im Rahmen eines "Einheimischenmodells" unwirksam.
Normenkette
BBauG § 11; BGB § 307
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des LG Darmstadt vom 26.6.2007 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung hinsichtlich der Kosten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des festgesetzten Betrages abzuwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages stellen.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die beklagte Stadt stellte in den 1990iger Jahren nach der Erschließung eines neuen Wohngebietes Bauinteressenten Grundstücke zu günstigen Konditionen im sog. "Einheimischenmodell" zur Verfügung. Ein solches - 307 qm großes - Grundstück haben die Kläger mit notariellem Kaufvertrag vom ... 1995 (Bl. 12-26 d.A.), dessen Bedingungen allen Verkäufen im Baugebiet zugrunde liegen, bei einem Bodenrichtwert von 530 DM/qm zum Preis von 266 DM/qm von der Beklagten erworben und das darauf errichtete Wohngebäude am 25.7.1996 bezogen. Als die Kläger im Jahre 2006 beabsichtigten, den Wohnort zu wechseln, hat die Beklagte einen Verzicht auf die vereinbarte Zuzahlung abgelehnt (Bl. 29 d.A.). Die Grundstückspreise sind heute nicht höher als im Jahre 1995. Im Februar 2009 sind die Kläger ausgezogen und haben das Haus vermietet.
Die Kläger begehren Feststellung, dass die im Vertrag enthaltenen Klauseln über eine zwanzigjährige Selbstnutzungsverpflichtung (§ 7 Nr. 9) in Verbindung mit der widrigenfalls nach Wahl der Klägerin entstehenden Rückübertragungs- oder Zuzahlungsverpflichtung von 400 DM/qm (§ 7 Nr. 15) nichtig seien.
Das LG hat mit dem angefochtenen Urteil, auf das Bezug genommen wird, der Klage stattgegeben und die beanstandeten Klauseln für nichtig erklärt. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrem Rechtsmittel und beantragt, unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze wird verwiesen.
II. Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
Zu Recht hat das LG die Nichtigkeit der beanstandeten Klauseln festgestellt, weil sie die Kläger unangemessen benachteiligen (§ 6 Abs. 3 Satz 3 Maßnahmengesetz zum Baugesetzbuch in der Fassung vom 28.4.1993 - heute § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB in der ab 1.1.1998 gültigen Fassung - und § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB n.F. i.V.m. Art. 229 § 5 Satz 2 AGBGB). Auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, die der Senat teilt, wird Bezug genommen.
1. Maßstab für die Inhaltskontrolle des Vertrages der Parteien aus dem Jahre 1996, also nach Ablauf der Umsetzungsfrist der Klauselrichtlinie 93/13/EWG, sind entgegen der Auffassung der Beklagten beide genannten Vorschriften (offen gelassen: BGH, Urt. v. 13.10.2006 - V ZR 33/06 - zitiert nach Juris Rz. 8; OLG Celle, Urt. v. 29.5.2008 - 8 U 239/07 - zitiert nach Juris Rz. 5). Der Vertrag ist ein privatrechtlicher städtebaulicher im Sinne des heutigen § 11 Abs. 1 Nr. 4 BauGB, weil er mit der Durchsetzung des Einheimischenmodells der Förderung und Sicherung der mit der Bauleitplanung verfolgten Ziele dient, und der entsprechende Text ist Allgemeine Geschäftsbedingung, weil er von der Beklagten in einer Vielzahl von Fällen verwendet worden ist (§ 305 Abs. 1 BGB). Nach beiden Vorschriften ist eine umfassende Abwägung der typischen Interessen der Beteiligten erforderlich, wobei die Prüfung auf Grund des Gebots der angemessenen Vertragsgestaltung sogar weitergehender ist als nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, weil sie die Kontrolle des vertraglichen Austauschverhältnisses eröffnet (BGH, Urt. v. 29.11.2002 - V ZR 105/02 - zitiert nach Juris Rz. 19 - vorgehend Senatsurteil vom 5.3.2002 - 22 U 229/99 - s. dort auch zur grundsätzlich gleichen inhaltlichen Bedeutung von "angemessen" und "unangemessen" in beiden Vorschriften).
2. Im Streitfall geht es - anders als in den bisher zum "Einheimischenmodell" entschiedenen Fällen - nicht um die Wirksamkeit einer Mehrerlösabführungsklausel nach Weiterveräußerung. Es geht auch nicht um ein Verbot der Fremdvermietung. Die Kläger wehren sich gegen die Wirksamkeit einer Klausel, nach deren Wortlaut sie aus ihrem Haus nicht ausziehen und es leer stehen lassen dürfen.
Zu Recht stellt das LG zur Feststellung einer Benachteiligung der Kläger darauf ab, dass der Vertrag in § 7 Nr. 9 Abs. 1a) für sie als Käufer eine Verpflichtung enthält, das Wohnhaus "mindestens zwanzig Jahre ab Bezugsfertigkeit selbst zu bewohn...