Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Anspruch auf Löschung des Eintrags über Restschuldbefreiung

 

Normenkette

EUV 2016/679 Art. 17

 

Verfahrensgang

LG Gießen (Urteil vom 04.10.2021; Aktenzeichen 5 O 457/20)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Einzelrichterin des Landgerichts Gießen vom 04.10.2021 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Löschung bzw. Unterlassung eines Eintrags aus der von ihr betriebenen Datenbank hinsichtlich der Restschuldbefreiung nach einem durchlaufenen Insolvenzverfahren in Anspruch.

Die Beklagte betreibt eine Wirtschaftsauskunftsdatei, welche Wirtschaftsdaten natürlicher und juristischer Personen sammelt, speichert, verarbeitet und weitergibt. Die Informationen sollen nach den Angaben der Beklagten insbesondere Kreditgeber vor Verlusten bei Kreditgeschäften mit potentiellen Kreditnehmern schützen. Unter anderem werden Daten aus den verschiedenen Phasen eines durchlaufenen Insolvenzverfahrens gespeichert, die die Beklagte aus öffentlich zugänglichen Quellen bezieht. Auf der Grundlage der bei ihr gespeicherten Daten bildet die Beklagte zudem einen Score-Wert, der die Bonität des Kunden ihres Vertragspartners bewerten soll.

Bei dem Kläger handelt es sich um eine Privatperson. Über sein Vermögen wurde im Jahr 2014 auf seinen Antrag hin ein Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet.

Das Amtsgericht Stadt1 erteilte dem Kläger mit Beschluss vom 16.04.2020 Restschuldbefreiung und veröffentlichte diese Information im Insolvenzportal. Die der Veröffentlichung entnommenen Daten zur Restschuldbefreiung nahm die Beklagte am 16.04.2020 in ihre Datenbank auf, um sie ihren Vertragspartnern zugänglich zu machen. Auf der Grundlage des von der Beklagten angewendeten sogenannten "Code of Conduct für die Prüf- und Löschfristen von personenbezogenen Daten durch die deutschen Wirtschaftsauskunfteien" löscht sie personenbezogene Daten regelmäßig nach drei Jahren auf Antrag der betroffenen Person, wenn die Speicherung nach individueller Prüfung nicht mehr erforderlich ist.

Der Kläger forderte die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 14.05.2020 auf, den Eintrag zu löschen. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 19.05.2020 ab.

Daraufhin hat der Kläger mit anwaltlichem Schriftsatz vom 20.05.2020 den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Beklagte begehrt, mit der diese bei Meidung eines für den Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes zur Löschung der Eintragung über die Restschuldbefreiung verurteilt werden sollte. Das Landgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 23.06.2020, Az. ..., zurückgewiesen. Der Senat hat die sofortige Beschwerde des Klägers mit Beschluss vom 12.08.2020, Az. ..., ebenfalls zurückgewiesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger stehe ein Löschungsanspruch nicht zu, da die Voraussetzungen nach Art. 17 Abs. 1 a) bis f) DS-GVO nicht eingreifen würden. Es bestehe ein öffentliches Interesse an der von der Beklagten betriebenen Auskunftei. Von dem Interesse an der Zahlungsfähigkeit und -willigkeit des Kreditnehmers werde auch ein durchlaufenes Insolvenzverfahren erfasst, weshalb die Erteilung der Restschuldbefreiung von Interesse sei, denn zu diesem Zeitpunkt sei der Kläger vermögenslos gewesen. Sein Interesse an einer unbegrenzten Teilnahme am Rechtsverkehr wiege nicht schwerer. Es sei nicht Zweck der Erteilung der Restschuldbefreiung, dass der Schuldner wieder am Wirtschaftsleben teilnehmen könne, als ob es das Insolvenzverfahren gar nicht gegeben habe.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seine ursprünglichen Anträge weiter und ist der Auffassung, die über die sechs Monate des § 3 Abs. 1 f. InsoBekV hinaus fortdauernde Speicherung, nach der Daten vom Portal insolvenzbekanntmachungen.de zwingend zu löschen seien, sei rechtswidrig. Es sei nicht nachvollziehbar, wieso die Weiterverarbeitung veröffentlichter Daten durch eine private Stelle länger erlaubt sein solle als für eine öffentliche Stelle. Sie erschwere ihm entgegen dem mit der Restschuldbefreiung verfolgten Zweck eines wirtschaftlichen Neustarts die Teilnahme am Wirtschaftsleben, obwohl es sich bei der Restschuldbefreiung im Grunde um ein positives Datum handele. Insbesondere sei ihm die Finanzierung einer Wohnung oder eines Hauses sowie eines neuen Autos ebenso wenig möglich wie die Überziehung seines Kontos, obwohl es keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse über konk...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge