Entscheidungsstichwort (Thema)
Mängelbeseitigungskosten/Schadensersatz: Mehrwertsteuersatz und Berechnung der Zinsen
Leitsatz (amtlich)
1. Vor Inkrafttreten des § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB umfasste der Schadensersatzanspruch nach § 635 a.F. BGB auch dann die gesetzliche Mehrwertsteuer, wenn eine Durchführung der Mängelbeseitigung, für welche Kostenerstattung verlangt wurde, nicht absehbar war.
2. Bei einer Änderung des Mehrwertsteuersatzes ist für die Berechnung der Höhe des Schadensersatzes auf den im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung gültigen Steuersatz abzustellen.
3. Zur Anrechnung der Zahlung aus einer Gewährleistungsbürgschaft auf den Schadensersatzanspruch des Bauherrn gegen den Werkunternehmer und den mit der Bauüberwachung Betrauten als gesamtschuldnerisch Haftende, wenn der Schadensersatzanspruch gegenüber beiden in unterschiedlicher Höhe festgestellt wird.
4. Der gemäß der Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 1 Abs. 1 Satz 3 EGBGB auf vor dem 1.5.2000 fällig Forderungen anwendbare Zinssatz von 4 % gem. § 288 a.F. BGB findet bei derartigen Forderungen auch Anwendung auf den Prozesszins aus § 291 BGB.
Normenkette
BGB §§ 249, 288, 291, 422, 635; EGBGB Art. 229
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2-05 O 142/03) |
Gründe
...1. Zu Recht hat das LG die Mängelbeseitigungskosten, denen es das Gutachten des Sachverständigen SV2 mit einem Netto-Wert von 786.135 DM zugrunde legt, auf einen Brutto-Wert von 935.500,65 DM unter Einbeziehung eines Mehrwertsteuersatzes von 19 % errechnet und dabei auf die Höhe der Mängelbeseitigungskosten im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abgestellt. Den gegen die Anwendung dieses Mehrwertsteuersatzes erhobenen Einwänden der Berufung vermag der Senat nicht zu folgen. Aufgrund des zum 1.1.2007 erhöhten Mehrwertsteuersatzes haben sich die für eine Mängelbeseitigung aufzuwendenden Kosten erhöht, so dass bei der Berechnung der Mängelbeseitigungskosten der neue, höhere Mehrwertsteuersatz einzustellen ist (s. OLG Frankfurt - 16. ZivSen., Urt. v. 11.2.1999 - 16 U 55/98, IBR 2001, 11 [juris Rz. 153]; OLG Stuttgart, Urt. v. 18.1.2007 - 7 U 69/07, BauR 2008, 1036 [juris Rz. 45]). Für den vorliegenden Rechtsstreit ergeben sich auch aus dem Sachverhalt keine Besonderheiten, welche eine Zuerkennung von lediglich 16 % MwSt rechtfertigen könnten. Es steht dem Kläger als dem Schadensersatz fordernden Bauherrn frei, in welcher Weise er den als Mängelbeseitigungskosten geltend gemachten Betrag verwenden will; dies ist Ausdruck der ihm nach ständiger Rechtsprechung zuerkannten Dispositionsbefugnis als Geschädigter (vgl. nur BGH, Urt. v. 6.11.1986 - VII ZR 97/85, BGHZ 99, 81 [juris Rz. 9]; Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 3. Aufl. 2008, Teil 6 Rz. 164). Der Schädiger hat keinen Anspruch darauf, dass der Geschädigte das ihm als Schadensersatz gezahlte Geld auch wirklich zur Beseitigung des Schadens verwendet; was der Geschädigte mit dem Geld macht, ist für den Schädiger ohne Belang (BGH, Urt. v. 24.5.1973 - VII ZR 92/71, NJW 1973, 1457). Es kann also sein, dass der Bauherr, der die als Schadensersatz geschuldeten Mängelbeseitigungskosten nicht oder nur teilweise zur Mängelbeseitigung verwendet, einen wirtschaftlichen Vorteil erlangt (Kniffka/Koeble, a.a.O., Rz. 165). Dem könnte nach geltendem Recht nur durch eine am Einzelfall orientierte Beschränkung des Schadensersatzanspruchs nach § 242 BGB begegnet werden (Kniffka/Koeble, a.a.O., für besondere Fälle, in denen die Mängelbeseitigungskosten zur Höhe des Werklohns außer Verhältnis stehen). Ein gegen Treu und Glauben verstoßendes Verhalten des Klägers, das also entweder rechtsmissbräuchlich oder widersprüchlich sein müsste und hinreichende Veranlassung gäbe, die als Maßstab zugrunde zu legende Dispositionsbefugnis des Klägers als Auftraggebers hintanzustellen, sieht der Senat nicht. Der Beklagten war aufgrund der Streitverkündung des Klägers ihr gegenüber im Schriftsatz vom 4.4.1995, welche im Rechtsstreit über die Werklohnklage der Firma A - 2-12 O 42/95 LG Frankfurt/M. - erfolgte, bekannt, dass der Kläger sie für die Kosten der Mängelbeseitigung i.H.v. mindestens 1 Mio. DM in Anspruch nehmen wollte. Auch hat der Kläger nicht den Fortgang des vorliegenden Rechtsstreits in einer gegen Treu und Glauben verstoßenden Weise verzögert. Denn die zeitliche Verzögerung nach der Beantragung des Mahnbescheid am. 2.8.2000 ist sachlich auf den Verfahrensgang in dem Verfahren gegen den Insolvenzverwalter der Firma A zurückzuführen: Am 8.2.2001 wurde dort im Verfahren zur Feststellung der Schadensersatzforderung zur Insolvenztabelle vor dem LG Bonn der Vergleich geschlossen. Das Schiedsgutachten des Sachverständigen Prof. SV1 datiert erst vom 2.12.2002 (, mit Schreiben vom 20.12.2002 wurde die Beklagte nochmals zur Zahlung des Teilbetrags von 500.000 DM (= 255.645,94 EUR) aufgefordert mit Fristsetzung bis 20.1.2003. Am 11.3.2003 erfolgte dann die Begründung der Klage. Ebenso wenig sieht der Senat für die Erwägung der Beklagten, die...