Leitsatz (amtlich)

Die Streitverkündung kann die Ausschlussfrist des Art. 29 WA nicht unterbrechen (Abweichung von OLG Frankfurt TranspR 2000, 183).

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Urteil vom 16.11.2000; Aktenzeichen 4 O 164/00)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 06.10.2005; Aktenzeichen I ZR 14/03)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Darmstadt vom 16.11.2000 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des zweiten Rechtszuges hat die Klägerin zu tragen. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 115 % des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 % desjenigen Betrages leistet, dessen Vollstreckung sie betreibt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Kl. wurde im Mai 1997 durch Speditionsvertrag von einer Fa. A. mit dem Transport von 41 Handys mit 59 Kg Gesamtgewicht von Eschborn nach Hongkong beauftragt. Sie ihrerseits beauftragte die Bekl. mit dem Lufttransport von Frankfurt nach Hongkong. In Hongkong wurde am 26.5.1997 festgestellt, dass 20 Handys im Wert von ca. 21.000 DM fehlten.

Im Rechtsstreit 12 O 681/97 des LG Darmstadt nahm die Transportversicherung der A. die hiesige Kl. aus übergangenem Recht auf vollen Ersatz - gem. Art. 25 des Warschauer Abkommens von 1955 (künftig: "WA") - des von ihr regulierten Schadens in Anspruch. Die Kl. erkannte aber nur eine beschränkte Haftung - nach Art. 22 WA - i.H.v. 53,50 DM pro kg an. Die Kl. - als dortige Bekl. - verkündete der hiesigen Bekl. den Streit; der Streitverkündungsschriftsatz wurde der Bekl. am 22.5.1998 zugestellt. Die Bekl. trat dem dortigen Rechtsstreit auf Seiten der Kl. bei. Durch Urteil vom 20.7.1999 verurteilte das LG die hiesige Kl. und führte zur Begründung aus, die Beweislast für die Haftungsdurchbrechung trage zwar grundsätzlich der Geschädigte, jedoch obliege es dem Luftfrachtführer vorzutragen, wie sich der Beförderungsverlauf abgespielt habe. Der Vortrag der hiesigen Kl. reiche nicht aus. Der Vortrag der dortigen Streithelferin, der hiesigen Bekl., sei unbeachtlich, weil er in Widerspruch zum Vortrag der Kl. als Hauptpartei stehe.

Nach Berufungsrücknahme wurde jenes Urteil rechtskräftig.

Mit der vorliegenden Klage, zugestellt am 6.6.2000, hat die Kl. Ersatz der von der Bekl. an die Transportversicherung zu zahlenden Urteilssumme (21.000 DM nebst Zinsen abzgl. gezahlter 3.156,50 DM), zzgl. Prozesskosten des Vorprozesses, zusammen 25.377,40 DM verlangt. Sie hat die Auffassung vertreten, die Bekl. habe aus Art. 18, 25 WA für den vollen Schaden einzustehen, weil der Schaden in ihrem Gewahrsam entstanden und von der Bekl. nicht dargelegt worden sei, dass sie "geordnete, überschaubare und ineinandergreifende Organisationsmaßnahmen" getroffen habe, um Warenverlust zu vermeiden.

Dem Einwand der mangelnden Prozessführung durch die Kl. als Bekl. im Vorprozess stehe die Interventionswirkung der Streitverkündung (§§ 74 Abs. 3, 68 ZPO) entgegen.

Die Kl. hat die Meinung geäußert, die Klage sei nicht verfristet, denn die Streitverkündung im Vorprozess setze die Ausschlussfrist nach Art. 29 WA nach Unterbrechung neu in Lauf. Die Streitverkündung sei hinsichtlich dieser Wirkung schon deshalb der Klageerhebung gleich zu achten, weil die Kl. vor ihrer Verurteilung im Vorprozess in Ermangelung eines eigenen Schadens nur mit der Streitverkündung, nicht aber mit einer Klage gegen die Bekl. hätte vorgehen können. Das - anzuerkennende - Gebot einer international einheitlichen Anwendung des WA führe nicht dazu, bei der Anwendung von Art. 29 WA die - spezifisch deutsche - Streitverkündung anders zu behandeln als die Klageerhebung.

Der Beitritt der Bekl. als Streithelferin sei ferner zur Vermeidung ihrer eigenen Haftung erfolgt; deswegen habe sie, wie die Kl. meint, darauf vertrauen dürfen, dass die Bekl. Regressansprüche der Kl. "nur mit sachlichen Einwänden" bekämpfen würde. Der Bekl. sei auch qualifiziertes Verschulden i.S.v. Art. 25 WA vorzuwerfen. Die Kl. hat bestritten, dass von der Bekl. im Einzelnen beschriebene ausreichende Sicherungsmaßnahmen schon 1997 eingeführt gewesen seien.

Die Kl. hat beantragt, die Bekl. zu verurteilen, an sie, die Kl., 25.377,40 DM nebst 5 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Bekl. hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, die Kl. habe keinen Werttransport in Auftrag gegeben, obwohl sie selbst ggü. der A. dazu verpflichtet gewesen sei und sei daher am Schadenseintritt mit schuld.

Die Kl. habe ferner nichts zum Transportverlauf in ihrer Obhut vorgetragen, obwohl sie die für einen substantiellen Vortrag ausreichende Sachnähe besitze. Eine gerichtliche Auflage zu ergänzendem Vortrag im Vorprozess habe sie unbeachtet gelassen, obwohl sie, die Bekl., sie durch Schreiben vom 28.1.1999 umfangreich zur Sach-und Rechtslage informiert und unter dem 20.7.1999 noch einmal darauf hingewiesen habe, dass substantiiert Vortrag gehalten werden müsse. Für die Berufungs...

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