Entscheidungsstichwort (Thema)
VW-Diesel-Skandal: Deliktische Haftung "Abgasskandal" (hier: Deliktszinsen gem. § 849 BGB)
Leitsatz (amtlich)
Selbst bei bestehenden deliktischem Anspruch kommt im Falle der Manipulation an der Steuerungssoftware des Motors EA189 ein Anspruch auf Deliktszinsen gem. § 849 BGB gegen den Fahrzeughersteller nicht in Betracht, wenn nicht ein Minderwert des Fahrzeugs bei Erwerb konkret dargelegt wird.
Normenkette
BGB § 849
Verfahrensgang
LG Limburg a.d. Lahn (Urteil vom 15.10.2018; Aktenzeichen 1 O 61/18) |
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Urteilsformel des angefochtenen Urteils wird unter Ziff. 1. dahin berichtigt, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 12.626,82 EUR nebst Zinsen aus einem Betrag von 13.080,59 EUR in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.01.2018 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Modell1 Typ1 mit der Fahrzeugidentifikationsnummer ... zu zahlen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 4.000,00 EUR festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger wendet sich mit der Berufung gegen die Abweisung der Klage, soweit Deliktzinsen wegen des käuflichen Erwerbs eines Fahrzeugs seit dem 29. Mai 2013 in Höhe von 4 Prozentpunkten aus dem Kaufpreis von 16.955,00 EUR versagt worden sind.
Der Kläger erwarb von einem Vertragshändler am 29. Mai 2013 das Gebrauchtfahrzeug Modell1 Typ1, das mit dem Motor mit der Bezeichnung EA 189 ausgestattet und dessen Hersteller die Beklagte ist, mit einer Laufleistung von 61.500 km zu dem vorgenannten Kaufpreis.
Das Fahrzeug verfügte über eine Typgenehmigung. Die Motorsteuerung war derart programmiert, dass im Falle des Durchlaufens des Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ), der Teil des Typgenehmigungsverfahrens ist, die Abgasrückführung in einen NOx - optimierten Betriebsmodus (Modus 1) versetzt wird, während sie außerhalb des NEFZ im Straßenverkehr im nicht NOx - optimierten Betriebsmodus (Modus 0) mit einer geringeren Abgasrückführung operiert.
Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) stufte im Oktober 2015 die aufgezeigte Programmierung als unzulässige Abschalteinrichtung ein und ordnete einen obligatorischen Rückruf für alle Fahrzeuge mit der Motorbezeichnung EA 189 zur Entfernung der Abschalteinrichtung an. Mitte 2016 erfolgte die Freigabe des von der Beklagten präsentierten Software - Update durch das KBA zur Beseitigung der Abschalteinrichtung.
Der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben vom 29. September 2017 unter Fristsetzung bis zum 17. Oktober 2017 ohne Erfolg zur Erstattung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs auf. Das Fahrzeug wies zu diesem Zeitpunkt eine Laufleistung von ca. 116.000 km auf.
Das Fahrzeug des Klägers wurde Mitte 2018 mit dem Software-Update ausgestattet.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die in dem von ihm erworbenen Fahrzeug eingesetzte Programmierung der Motorsteuerung stelle eine gesetzeswidrige Abschalteinrichtung dar, die das Risiko des Entzugs der Betriebserlaubnis beinhalte. Dies rechtfertige deliktische Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte als Herstellerin gemäß §§ 826 BGB; 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB und §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV sowie Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 und wegen der Werbung der Beklagten mit dem hier maßgeblichen Motor aus
§ 16 UWG als jeweils in Betracht kommende Schutzgesetze, wobei der Schaden bereits in dem Abschluss des Kaufvertrages mit dem Fahrzeughändler liege.
Er hat mit der der Beklagten am 7. März 2018 zugestellten Klage behauptet, es sei bei der Aktivierung des Abgaskontrollsystems mit erheblichen Einschränkungen der Funktionsfähigkeit zu rechnen. Hierauf, so meint der Kläger, käme es "jedoch im Rahmen der Anspruchsbegründung nicht an". Vorsorglich werde die gegenteilige Behauptung der Beklagten bestritten.
Der Kläger hat ferner behauptet, das Fahrzeug nicht erworben zu haben, wenn er gewusst hätte, dass die gesetzlichen Anforderungen nicht eingehalten worden seien und das Risiko des Entzugs der Betriebserlaubnis bestanden habe. Es sei ihm auf die Umweltfreundlichkeit des Fahrzeugs angekommen.
Nach Kapitalisierung des Zinsanspruchs in Höhe von 3.159,28 EUR (4 Prozent aus 16.955,00 EUR vom 29. Mai 2013 bis zum 25. Januar 2018) und nach Abzug eines dem Kläger erwachsenen Nutzungsvorteils von 3.874,71 EUR hat er beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 16.239,87 EUR nebst Zinsen aus 16.955,00 EUR in Höhe von 4 Prozent pro Jahr seit dem 26. Januar 2018 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Modell1 Typ1 mit der Fahrzeugidentifika...