Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 07.05.2015; Aktenzeichen 2-32 O 102/13)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 32. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 7. Mai 2015 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 536.203,97 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.07.2012 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers werden zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 90% und die Beklagte 10% zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des aufgrund dieses Urteils insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des aufgrund dieses Urteils insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höher von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 5.663.508,95 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Z SE i. L. bzw. vormals X SE (im folgenden Schuldnerin genannt).

Die Schuldnerin war die börsennotierte Holding eines weltweit agierenden Photovoltaikkonzerns, der sich maßgeblich durch die Emittierung dreier Wandelschuldverschreibungen (WSV) finanzierte. Eine dieser Wandelschuldverschreibungen in Höhe eines Gesamtbetrag von 128,7 Mio. Euro mit einer fünfjährigen Laufzeit (WSV 2015) emittierte die Schuldnerin am 21.10.2010 selbst. Zuvor hatte die 100%ige Tochtergesellschaft der Schuldnerin, die X1 B.V., mit Sitz in den Niederlanden am 28.02.2007 eine Wandelschuldverschreibung mit fünfjähriger Laufzeit in Höhe eines Gesamtbetrages von 492,5 Mio. Euro (WSV 2012) und am 26.05.2009 eine Wandelschuldverschreibung mit fünfjähriger Laufzeit in Höhe eines Gesamtbetrages von 250 Mio. Euro (WSV 2014) emittiert. Bezüglich dieser beiden Wandelschuldverschreibungen übernahm die Schuldnerin gegenüber den Anleihegläubigern die unmittelbare, unbedingte und unwiderrufliche Garantie für den Rückzahlungsanspruch, wobei die Anleihebedingungen der WSV 2014 und WSV 2015 für die Gläubiger im Falle eines Ausfalls der Anleihegläubiger der WSV 2012 ein sofortiges Kündigungsrecht vorsahen, so dass im Falle der Ausübung dieser Kündigungsrechte am 28.02.2012, dem Fälligkeitszeitpunkt der WSV 2012, Forderungen der Anleihegläubiger in Höhe von insgesamt 580 Mio. Euro hätten fällig gestellt werden können. Den Emissionserlös aus der WSV 2015 setzte die Schuldnerin zum Rückkauf der WSV 2012 ein, wodurch sie die Forderungen der Anleihegläubiger aus der WSV 2012 auf 201,7 Mio. Euro reduzierte.

Im Jahr 2011 geriet die Schuldnerin in eine finanzielle Krise, wobei sich jedenfalls im September 2011 abzeichnete, dass sie zum Ausgleich der am 28.02.2012 fällig werdenden Verbindlichkeiten aus der WSV 2012 nicht in der Lage sein würde. In dieser Situation beauftragte die Schuldnerin verschiedene Berater zur Entwicklung eines Restrukturierungskonzeptes, u.a. die Beklagte aufgrund einer schriftlichen Vereinbarung vom 31.08.2011 ab September 2011 mit ihrer wirtschaftsrechtlichen anwaltlichen Beratung, insbesondere der rechtlichen Betreuung des Sanierungs-bzw. Restrukturierungskonzeptes und letztlich der Sanierung zur Vermeidung einer Insolvenz.

Da die X B.V. als Emittentin der WSV 2012 und 2014 ihren Sitz in den Niederlanden hatte und nach dem SchVG 1899 eine Änderung der Anleihebedingungen durch Mehrheitsbeschluss bei Anleihen, deren Emittenten ihren Sitz im Ausland hatten, nicht möglich war, sondern nur mit Zustimmung eines jeden einzelnen Anleihegläubigers geändert werden konnten, und auch das am 05.08.2009 in Kraft getretene SchVG 2009, das unter bestimmten Voraussetzungen eine Änderung der Anleihebedingungen von Anleihen durch einen Mehrheitsbeschluss der Anleihegläubiger erlaubte, auf vor dem Inkrafttreten des Gesetzes emittierte Schuldverschreibungen keine Anwendungen fand, sah das insoweit von der Beklagten entwickelte Restrukturierungskonzept u.a. vor, durch einen mehrheitlichen sogenannten "Opt-in-Beschluss" der Anleihegläubiger nach § 24 Abs. 2 SchVG 2009 die Anwendbarkeit des SchVG 2009 auf die WSV 2012 und auch die WSV 2014 herbeizuführen bzw. diesem Gesetz zu unterwerfen. Damit sollte die Möglichkeit geschaffen werden, durch einfachen Mehrheitsbeschluss der Anleihegläubiger die Stundung der zum 28.02.2012 fällig werdenden Forderungen aus der WSV 2012 herbeizuführen, um anschließend im Wege eines sogenannten debt-to-equity-swap, also durch eine Transaktion dahingehend, dass die Gläubigerforderungen gegenüber der Schuldnerin zugunsten einer entsp...

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