Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufsunfähigkeitsversicherung: Möglichkeit und Verpflichtung des Versicherten zur Umorganisation seines Betriebes

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Entscheidung vom 13.02.2014; Aktenzeichen 27 O 139/13)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 27. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 13.2.2014 (Az. 27 O. 139/13) abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 110 % der aus dem

Urteil vollstreckbaren Beträge abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Der 196X geborene Kläger macht eine Berufsunfähigkeitsrente zuzüglich Beitragsfreistellung in Höhe von 2027,31 EUR monatlich geltend und stützt sich dabei auf die BBU der Beklagten, Stand Juli 2001 (Bl. 35). Versicherungsschutz besteht aufgrund Versicherungsschein vom 29.10.2002 (Bl. 29) für die Zeit vom 1.10.2002 bis 1.10.2019.

§ 2 der BBU enthält eine Definition von Berufsunfähigkeit, § 2 Abs. 3 schließt diese aus, "wenn der Versicherte eine andere Tätigkeit ausübt, die seiner bisherigen Lebensstellung entspricht".

§ 2 Abs. 6 lautet: "Ist der Versicherte aus dem Berufsleben ausgeschieden, ohne dass eine Wiederaufnahme der Tätigkeit absehbar ist, so kommt es bei der Anwendung der Abs. 1, 2 und 4 darauf an, dass der Versicherte außer Stande ist, eine Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner Lebensstellung bei Ausscheiden aus dem Berufsleben entspricht."

Das Nachprüfungsverfahren ist in § 14 der BBU geregelt und sieht vor, dass die Beklagte in diesem Rahmen "erneut prüfen kann, ob der Versicherte eine andere Tätigkeit i.S.v. § 2 Abs. 3 ausübt."(Bl. 37)

Die Beklagte erkannte den Leistungsanspruch des Klägers aus der BU-Versicherung am 7.8.2009 (Bl. 133) zunächst bis auf weiteres (unbefristet) an, weil der Kläger als selbstständiger Handwerker wegen Hüftkopfnekrose berufsunfähig war. Der Kläger führt einen Betrieb zur Wartung und zum Einbau von Dachfenstern. Er kann wegen seiner körperlichen Einschränkungen weder Leitern, noch Gerüste oder Dächer besteigen. Zum Zeitpunkt der Anerkennung als berufsunfähig führte der Kläger seinen Betrieb mit einer geringfügig beschäftigten Hilfskraft und seiner teilzeitbeschäftigten Ehefrau. In der Folgezeit stellte der Kläger mehrere Mitarbeiter ein und seine Ehefrau erhöhte ihre Berufstätigkeit auf Vollzeit.

Im Rahmen einer Nachprüfung kam die Beklagte am 17.9.2012 zu dem Ergebnis, der Kläger habe seinen Betrieb umorganisiert und könne nunmehr administrative, organisatorische und Bürotätigkeiten ausführen (Blatt 136 ff.). Daraufhin stellte sie die Leistungen ein.

Der Kläger hat eine Möglichkeit und eine Verpflichtung zur Umorganisation bestritten und verweist auch auf neurologisch-psychiatrische Einschränkungen, die auch gegen kaufmännisch-verwaltende Tätigkeiten sprächen. Diese behaupteten weiteren Beeinträchtigungen waren bislang nicht Gegenstand eines Leistungsantrages auf Berufsunfähigkeitsrente.

Die Beklagte hat behauptet, der Kläger könne Beratungen telefonisch und im Ausstellungsraum durchführen und schriftliche Angebote (ca. 700 Stück pro Jahr) erstellen (Bl. 193 ff.). Daraus folgert sie eine Auslastung von mehr als 50 % als selbstständiger Betriebsinhaber und hat dies unter Sachverständigenbeweis gestellt (Bl. 196).

Mit Urteil vom 13.2.2014 (Bl. 252 ff.) hat das Landgericht der Klage auf Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von monatlich 2027,31 EUR sowie Feststellung der Befreiung von der Beitragspflicht entsprochen. Das Landgericht hat zur Begründung ausgeführt, die von der Beklagten angeführten Tätigkeiten fielen weder in dem erforderlichen Umfang an, noch seien sie dem Kläger zuzumuten. Hierfür hat das Landgericht auf Verweisungstätigkeiten abgestellt. Die Einholung eines beantragten berufskundlichen Sachverständigengutachtens hat das Landgericht nicht für erforderlich gehalten und entschieden, dass untergeordnete Bürotätigkeiten von geringem Umfang von bisher 30 Minuten am Tag den Kläger nicht ausfüllen. Den erforderlichen Nachweis, der Kläger könne jetzt wegen des erweiterten Geschäftsanfalls Kunden in Ausstellungsräumen beraten, hat das Landgericht nach der - nicht protokollierten - Anhörung des Klägers nicht als geführt angesehen. Der Kläger könne insbesondere wegen seiner körperlichen Einschränkungen die notwendigen Beratungen im Außenbereich nicht mehr durchführen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Die Zustellung des Urteils an die Beklagte erfolgte am 25.2.2014 (Bl. 271). Die Berufung ging am 25.3.2014 ein (Bl. 284), die Berufungsbegründung nach Fristverlängerung um einen Monat (Bl. 295) am 23.5.2014 (Bl. 297 ff.).

Mit ihrer Berufung macht die Beklagte geltend, das Landgericht...

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