Entscheidungsstichwort (Thema)

Speicherung von IP-Adressen durch Provider

 

Leitsatz (amtlich)

Die anlasslose, jedoch auf sieben Tage begrenzte Speicherung der jeweils genutzten IP-Adressen wahrt dann die Verhältnismäßigkeit, wenn ihre technische Erforderlichkeit für die Zwecke des § 100 Abs. 1 TKG gegeben ist. Die bloße Speicherung der IP-Adressen stellt für sich gesehen noch keinen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte der Nutzer dar. Denn von maßgebender Bedeutung für das Gewicht des Grundrechtseingriffs ist die Persönlichkeitsrelevanz der Informationen, die von der informationsbezogenen Maßnahme erfasst werden.

 

Normenkette

TKG § 44 Abs. 1, § 96 Abs. 1 S. 3, § 97 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, § 100 Abs. 1

 

Verfahrensgang

BGH (Urteil vom 13.01.2011; Aktenzeichen III ZR 146/10)

OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 16.06.2010; Aktenzeichen 13 U 105/07)

LG Darmstadt (Urteil vom 06.06.2007; Aktenzeichen 10 O 562/03)

 

Nachgehend

BGH (Aktenzeichen III ZR 391/13)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 10. Zivilkammer - Einzelrichterin - des LG Darmstadt vom 6.6.2007 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens und des Revisionsrechtszuges zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 115 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beklagte bietet Telekommunikationsleistungen an. Der Kläger, ein ... kaufmann, der freiberuflich auch als A tätig ist, ist Inhaber eines von der Beklagten bereitgestellten DSL-Anschlusses.

Hierfür haben er und die Rechtsvorgängerin der Beklagten - der Geschäftsbereich der Deutschen Telekom AG, der vormaligen Beklagten, wurde im Laufe des Rechtsstreits nach dem Umwandlungsgesetz im Wege der Ausgliederung zur Aufnahme auf die jetzige Beklagte übertragen, die zunächst noch als T-Mobile Deutschland GmbH firmierte - den "T-online dsl flat"-Tarif vereinbart.

Dieser Tarif beinhaltet ein zeit- und volumenunabhängiges Pauschalentgelt, soweit der Kunde für die Einwahl in das Internet den von der Beklagten zur Verfügung gestellten DSL-Anschluss nutzt. Der Kunde kann sich mit seinen Zugangsdaten (der Kennung und dem Passwort) jedoch auch über andere Telekommunikationsanschlüsse (z.B. über Mobiltelefone, Anschlüsse von Wettbewerbern der Beklagten im Inland oder aus dem Ausland) oder mittels anderer Zugangstechniken (z.B. Analog-, ISDN- oder GSM-Verbindungen) in die Dienste der Beklagten einwählen. In diesem Fall werden zeitabhängige Nutzungsentgelte berechnet. Ferner kann der Kunde Zugriff auf kostenpflichtige Dienste nehmen, die entsprechend der individuellen Nutzung gesondert und unabhängig von den angebotenen Zugangstarifen von der Beklagten in Rechnung gestellt werden.

Die Beklagte weist dem Rechner, den der Kunde zur Einwahl in das Internet nutzt, für die Dauer der einzelnen Verbindung eine IP-Adresse zu, die sie einem ihr zugeteilten Großkontingent entnimmt. Diese Adresse besteht aus einer mit einer Telefonnummer vergleichbaren, aus vier Blöcken gebildeten Ziffernfolge, die die Kommunikation vernetzter Geräte (z.B. Web-Server, E-Mail- Server oder Privatrechner) ermöglicht. Nach Beendigung der Verbindung wird die jeweilige IP-Adresse wieder freigegeben und steht den Kunden der Beklagten zur Einwahl in das Internet erneut zur Verfügung. Aufgrund dieses Verfahrens erhält der einzelne Nutzer für jede Einwahl in das Internet in aller Regel eine unterschiedliche IP-Nummer (die dynamische IP-Adresse).

Die Beklagte speichert nach Beendigung der jeweiligen Verbindung u.a. die hierfür verwendete IP-Adresse für einen gewissen Zeitraum. Diesen hat sie im Lauf des vorliegenden Rechtsstreits auf sieben Tage begrenzt. Zuvor hatte sie für die Speicherung eine längere Zeitspanne in Anspruch genommen. Die Beklagte hat insoweit zunächst die Auffassung vertreten, sie sei gem. § 96 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 97 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 und § 100 Abs. 1 TKG zu einer vorübergehenden Speicherung der IP-Adressen berechtigt.

Der Kläger meint, die Beklagte sei verpflichtet, die IP-Adressen sofort nach dem Ende der einzelnen Internetsitzungen zu löschen.

Neben Löschungs- und Unterlassungsansprüchen hinsichtlich weiterer Daten hat der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur sofortigen Löschung der seinem Rechner zugeteilten IP-Adressen nach dem jeweiligen Ende der Internetverbindungen verfolgt.

Das LG hat den Anträgen mit Urteil vom 6.6.2007 teilweise stattgegeben, die Beklagte hinsichtlich der IP-Adressen jedoch nur verurteilt, diese sieben Tage nach dem jeweiligen Ende der Internetverbindungen zu löschen.

Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat das OLG mit Urteil vom 16.6.2010 zurückgewiesen.

Zur Begründung hat das Berufungsgericht im Kern ausgeführt, die Beklagte sei zur Speicherung der IP-Adressen während des vom LG ausgeurteilt...

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