Leitsatz (amtlich)
Die örtliche und internationale Zuständigkeit eines deutschen Gerichts für eine Schadensersatzklage gegen eine ausländische Rating-Agentur ist gegeben, wenn die Rating-Agentur über nicht unwesentliches Vermögen im Bezirk dieses Gerichts verfügt und die Klage ausreichenden Inlandsbezug aufweist.
Normenkette
ZPO § 23
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 20.04.2011; Aktenzeichen 2/13 O 111/10) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 13. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. vom 20.4.2011 aufgehoben.
Die Klage ist zulässig.
Der Rechtsstreit wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das LG Frankfurt/M., das auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden hat, zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der Kläger verlangt von der Beklagten, einer internationalen Ratingagentur, Schadensersatz wegen des Erwerbs von Zertifikaten, deren Emittent eine Tochtergesellschaft der im September 2008 zusammengebrochenen Lehman Bank war.
Der Kläger erwarb für 30.000 EUR im März 2008 Express-Zertifikate auf den DivDAX/DAX, deren Emittent die niederländische Lehman Brothers Treasury Co. B. V. war. Hierbei handelt es sich um eine Tochter- bzw. Enkelgesellschaft der Lehman Brothers Inc., New York, über deren Vermögen am 15.9.2008 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Gleichwohl waren der Emittentin ebenso wie der Lehman Brothers Inc. im Emissionsprospekt durch die beklagte Ratingagentur eine Kreditwürdigkeit von A+ bescheinigt worden. Die Beurteilung der Kreditwürdigkeit der Emittentin erfolgte aufgrund eines zwischen der Beklagten und der Emittentin abgeschlossenen Vertrages, der dem Recht des Staates New York unterlag.
Der Kläger, dessen Wertpapiere aufgrund des Zusammenbruchs mittlerweile wertlos sind, hat behauptet, er habe seine Kaufentscheidung wesentlich auf die sich im Nachhinein als grob fehlerhaft herausstellende Einschätzung der Kreditwürdigkeit der Lehman Brothers Inc. und deren Tochtergesellschaft durch die Beklagte gestützt. Er hat ferner die Auffassung vertreten, bei dem Ratingvertrag zwischen der Beklagten und der Emittentin habe es sich um einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter gehandelt, wobei das Bestehen des Anspruchs sich nach deutschem Recht richte.
Ferner ist er der Meinung gewesen, das LG Frankfurt/M. sei örtlich und international zuständig. Die Zuständigkeit ergebe sich aus § 23 ZPO ebenso wie aus §§ 17 und 21 ZPO.
Das LG hat die Klage unter einer Anschrift in O1, die im Internetauftritt der Beklagten als Office bezeichnet wird und an der sich eine Schwestergesellschaft der Beklagten befindet, zugestellt. Sodann hat es eine gesonderte Verhandlung über die Zulässigkeit des angerufenen Gerichts angeordnet (Bl. 116 d.A.).
Daraufhin hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung beantragt, auszusprechen, dass das LG Frankfurt/M. zuständig sei.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage als unzulässig abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die Klage sei bereits nicht wirksam zugestellt worden. Überdies sei das LG nicht zuständig.
Im Übrigen wird wegen des erstinstanzlichen Streitstandes auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Das LG hat in der angegriffenen Entscheidung die Klage abgewiesen. Es fehle an der örtlichen und damit auch der internationalen Zuständigkeit des LG Frankfurt/M. Eine Zuständigkeit aus § 17 ZPO bestehe nicht, weil der Sitz der Gesellschaft sich in O2 und nicht in O1 befinde. Ebenso folge keine örtliche Zuständigkeit aus § 21 ZPO, da weder ersichtlich sei, dass die Beklagte unter der in der Klageschrift angegebenen Anschrift eine Niederlassung unterhalte, noch ein Bezug der Klage zu der Niederlassung bestehe. Schließlich ergebe sich die Zuständigkeit auch nicht aus § 23 ZPO. Denn hierfür sei über die Belegenheit von Vermögen hinaus auch ein hinreichender Inlandsbezug des Rechtsstreits erforderlich, der hier aber nicht gegeben sei.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Zur Begründung seines Rechtsmittels führt er aus, das LG habe zu Unrecht einen Inlandsbezug der Klage verneint. Dieser ergebe sich bereits daraus, dass er als klagender deutscher Staatsbürger - wie zwischen den Parteien unstreitig - seinen gewöhnlichen Aufenthalt und Wohnsitz im Inland habe. Überdies sei der Schaden in Deutschland eingetreten und die Beklagte habe das sie zur Haftung verpflichtende fehlerhafte Urteil über die Kreditwürdigkeit der Emittentin u.a. in Deutschland verbreitet. Entsprechend unterliege der Rechtsstreit auch materiell deutschem Recht. Fehlerhaft sei zudem die Ansicht des Gerichts, die Beklagte unterhalte keine Niederlassung in O1. Schließlich habe das LG nicht ohne Erhebung der von ihm angebotenen Beweise davon ausgehen dürfen, dass die Beklagte nicht ebenfalls einen Sitz in O1 habe.
Der Kläger beantragt, unter Abänderung des am 5.5.2011 verkündeten Urteils des LG Frankfurt/M. die Beklagte und Berufungsbeklagte zu verurteilen, an den Kläger und Beru...