Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang der Prospekthaftung bei Unvollständigkeit
Leitsatz (amtlich)
Zur Unvollständigkeit eines Prospekts, der Kapitalerhöhungen nicht erwähnt und damit wichtige Umstände für die reduzierte Verkäuflichkeit nicht börsennotierter Aktien böslich verschweigt.
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 28.09.2001; Aktenzeichen 2/21 O 13/01) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 21. Zivilkammer des LG Frankfurt am Main vom 28.9.2001 – Az.: 2/21 O 13/01 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird gestattet, die Vollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheit kann auch durch schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts erbracht werden.
Die Beschwer der Beklagten beträgt 50.413,38 Euro.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger hat die Beklagte auf Rückkauf ihrer Aktien, hilfsweise auf Schadensersatz in Anspruch genommen.
Die Beklagte ist eine Beteiligungsgesellschaft, die sich an ökologisch ausgerichteten Unternehmen beteiligt. Sie ist nicht börsennotiert und nimmt seit Veröffentlichung eines Prospekts 1997 mit Stand von Februar 1996 ein bis zwei Mal im Jahr Kapitalerhöhungen vor. 1997 waren es drei Kapitalerhöhungen. Eine aus „genehmigtem Kapital” gem. Schreiben der Beklagten vom 30.4.1997 und Bericht des Vorstandes über das Geschäftsjahr 1996, wonach das Eigenkapital 5 Mio. DM bzw. 6.640.000 DM (gezeichnetes Kapital und Kapitalrücklagen) beträgt. Weitere Kapitalerhöhungen fanden im Mai 1997 und im Dezember 1997/Januar 1998 gem. Schreiben der Beklagten vom 11.6.1997 bzw. vom 27.2.1998 statt.
Im Jahr 1997 firmierte die Beklagte nach Fusion von … um.
Am 11.4.1997 kaufte der Kläger zunächst 5.000, am 11.6.1997 nochmals 2.000 und am 27.2.1998 weitere 3.000 Aktien der Beklagten zu Preisen von 49.000 DM, 19.600 DM und 30.000 DM. Der Kontakt zwischen den Parteien kam unter Mitwirkung einer Frau N. zustande, die einen Briefkopf der Beklagten verwendete.
Noch vor dem ersten Kauf wurde dem Kläger ein Prospekt überreicht. Dort heißt es:
„…, dass die Gesellschaft mit ihren Aktien derzeit nicht am Börsenhandel teilnimmt … das bedeutet aber auch, dass die … Aktien weniger einfach gekauft und verkauft werden können als etwa börsennotierte Aktien … . Als Vertriebskoordinationsstelle der AG ist die … GmbH den Aktionären dabei behilflich, wenn sie Aktien verkaufen wollen, indem sie diese entweder selbst zum aktuellen Kurs der Kapitalerhöhung ankauft oder an Dritte weitervermittelt. Eine umfassende Abnahmegarantie besteht jedoch nicht, so dass es im Einzelfall zu zeitlichen Verzögerungen bei der Veräußerung größerer Posten kommen kann”.
Zu den Kapitalerhöhungen aus genehmigtem Kapital verhält sich der Prospekt mit der folgenden Formulierung:
„Am 12.6.1996 hat die Hauptversammlung der Gesellschaft eine Kapitalerhöhung um 490.000 weitere Inhaberstammaktien im Nennwert von je 5 DM beschlossen. Nach voller Durchführung dieser Kapitalerhöhung beträgt das Eigenkapital der Gesellschaft 4.990.000 DM”.
In dem Bericht des Vorstandes über das Geschäftsjahr 1996 vom Juni 1997 ist ausgeführt, dass der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrates am 14.4.1997 die Erhöhung des Grundkapitals durch Ausnutzung des genehmigten Kapitals i.H.v. 150.000 Aktien zum Preis von 9,80 DM beschlossen habe. Nach Eintragung in das Handelsregister belaufe sich das eingetragene Eigenkapital der AG auf 6.460.000 DM, einschl. Kapitalrücklagen. Bis Jahresende hoffe der Vorstand, ein Eigenkapital von rund 20 Mio. DM in der Gruppe aufzuweisen.
Im April 2000 erteilte der Kläger der Beklagten einen Verkaufsauftrag über 8.000 Aktien. Am 16.5.2000 teilte die … GmbH mit, dass es weder der … AG noch der … GmbH gem. den Vorgaben des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen gestattet sei, Aktien zurückzukaufen. Mit Schreiben vom 4.9.2000 erteilte der Kläger weitere Verkaufsorder für die restlichen 2.000 Aktien. Bislang gelang es dem Kläger nicht, die Aktien zu veräußern. Weder die … GmbH noch die … KG, an die er verwiesen worden war, kauften seine Aktien an oder vermittelten sie an einen anderen Käufer.
Der Kläger hat behauptet, er sei von Frau N. angerufen und zum Kauf überredet worden. Sie habe sich als freie Mitarbeiterin der Beklagten vorgestellt. Sie habe ihn nicht darauf hingewiesen, dass die Aktien nicht an der Börse gehandelt werden, so dass ein Verkauf schwierig sein könne.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, es werde in dem Prospekt nicht ausreichend auf das besondere Risiko des so genannten Kapitalmarktes und die vorgesehenen Kapitalerhöhungen hingewiesen. Zumindest habe im Hinblick auf die Kapitalerhöhungen von Mai 1997 und Dezember 1997/Januar 1998 eine Nachprospektierungspflicht der Be...