Entscheidungsstichwort (Thema)

Verkehrsunfall: Verweigerung einer notwendigen psychotherapeutischen Behandlung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Verweigerung einer notwendigen psychotherapeutischen Behandlung kann Schadenersatzansprüche wegen einer als Unfallfolge eingetretenen psychosomatischen Störung begrenzen.

 

Normenkette

BGB §§ 823, 249, 254

 

Verfahrensgang

BGH (Urteil vom 12.04.2016; Aktenzeichen VI ZR 140/15)

LG Darmstadt (Urteil vom 07.05.2013; Aktenzeichen 10 O 240/09)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung der Beklagten gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des LG Darmstadt vom 7.5.2013, berichtigt durch Beschluss vom 11.6.2013, werden zurückgewiesen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 76 % und die Beklagte 24 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei darf die Zwangsvollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 106.826,42 EUR festgesetzt (Berufung 81.646,00 EUR und Anschlussberufung 25.180,42 EUR).

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt Schadensersatz nach einem schuldlos erlittenen Verkehrsunfall.

Am ...2004 befuhr die damals 3X-jährige Klägerin gegen 22:00 Uhr die ... straße in Stadt1. Beim Rechtseinbiegen in den ... Weg kollidierte sie mit dem aus ihrer Sicht von links kommenden Versicherungsnehmer der Beklagten, der ohne Geschwindigkeitsherabsetzung in die Kreuzung eingefahren war. Die Eintrittspflicht der Beklagten ist unstreitig.

Die Klägerin war unfallbedingt längere Zeit in ihrem Fahrzeug eingeklemmt. Sie musste durch die Feuerwehr geborgen werden. Sie erlitt ein massives Hämatom im Mons-PubisBereich mit Ausstrahlung in die rechte Leistengegend sowie eine Distorsion der Wirbelsäule und eine Verstauchung und Zerrung der Halswirbelsäule. Die Klägerin befand sich vom ... -...2004 stationär in einer Klinik. Die erlittenen körperlichen Schäden sind seit ...2004 ausgeheilt. Die Beklagte regulierte den Sachschaden und zahlte an die Klägerin ein Schmerzensgeld von 4.000 EUR sowie Verdienstausfallschaden bis Oktober 2004 in Höhe von 768,04 EUR.

Die ... Klägerin war vor dem Unfall zuletzt bei A, davor zeitweise als Verkäuferin ..., angestellt gewesen. Circa zwei Wochen vor dem Unfall hatte die Klägerin ... einen Abort ... erlitten. Diesem war eine künstliche Befruchtung vorausgegangen. Zum Unfallzeitpunkt war sie arbeitsunfähig erkrankt. Seit dem ...2004 lässt sich die Klägerin durchgehend psychiatrisch von B behandeln. Zwischen dem ...2004 und ...2004 unterzog sich die Klägerin einer stationären Behandlung in einer psychosomatischen Klinik. Sie wurde von dieser Klinik als für zwei weitere Monate vorübergehend arbeitsunfähig entlassen. Im Entlassungsbericht der Klinik war als weitere Maßnahme eine intensive ambulante Psychotherapie empfohlen. Dies hat die Klägerin nicht umgesetzt.

Mit Ausnahme eines gescheiterten, zweitägigen Arbeitsversuchs im Oktober 2005 war die Klägerin seit dem Unfall nicht erwerbstätig. Aufgrund eines mit der Deutschen Rentenversicherung im Juni 2008 geschlossenen Vergleichs gewährte die Deutsche Rentenversicherung der Klägerin zwischen dem 1.9.2004 und 30.4.2010 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI. Vom 26.2.2004 bis einschließlich 4.4.2004 erhielt die Klägerin Lohnfortzahlung. Danach zahlte die X der Klägerin vom 5.4.2004 bis 19.8.2005 Krankengeld. Zwischen dem 21.9.2004 und 2.11.2004 erhielt die Klägerin Übergangsgeld nach § 45 SGB IX, 20 I SGB VI und vom 4.10.2005 bis 18.8.2006 Arbeitslosengeld. Vom 1.9.2006 bis April 2008 bezogen die Klägerin und ihre Ehemann Sozialhilfe.

Die Klägerin hat die Beklagte auf Ersatz weiterer materieller und immaterieller Schäden sowie auf Feststellung ihrer Ersatzpflicht für Zukunftsschäden in Anspruch genommen. Sie hat behauptet, aufgrund des Unfalls dauerhaft wegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung (kurz: PTBS) arbeitsunfähig zu sein. Seit dem Unfall habe sich ihr Zustand kontinuierlich verschlechtert. Seit April 2009 benötige sie eine Haushaltshilfe. Während ihres regelmäßigen vierwöchigen Jahresurlaubs im Land1 habe sie sich im Jahr 2010 einer vierwöchigen psychotherapeutischen Behandlung unterzogen.

Die Klägerin hat neben der Feststellung der fortlaufenden Ersatzpflicht der Beklagten erstinstanzlich folgende Zahlungen beansprucht:

  • Verdienstausfall in Höhe von 64.080,44 EUR,
  • Aufwendungen für eine Haushaltshilfe in Höhe von 4.950,00 EUR,
  • (weiteres) Schmerzensgeld, dass sie zuletzt in Höhe von insgesamt 30.000,00 EUR für angemessen hielt.

Die Beklagte hat eingewandt, dass die Klägerin nur bis ...2004 unfallbedingt arbeitsunfähig gewesen sei. Den Verdienstausfallschaden für diesen Zeitraum habe sie reguliert. Ursächlich für die auch danach nicht gelungene Wiedereingliederu...

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