Entscheidungsstichwort (Thema)
Amtspflichtverletzung: Haftung des Lehrpersonals wegen unzureichender Erste-Hilfe-Maßnahmen nach Zusammenbruch im Sportunterricht
Normenkette
BGB § 839; GG § 34
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Urteil vom 30.11.2016; Aktenzeichen 5 O 201/15) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 30.11.2016 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 500.000 EUR zu zahlen.
Die von dem Kläger gegenüber dem Beklagten erhobenen Ansprüche auf Ersatz materiellen Schadens (Klageantrag zu 2) und Zahlung einer monatlichen Mehrbedarfsrente (Klageantrag zu 3) sind dem Grunde nach gerechtfertigt.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtlichen zukünftigen materiellen Schaden, der ihm aus dem Schadensereignis vom XX.XX.2013 noch entsteht, sowie den nicht vorhersehbaren immateriellen Zukunftsschaden zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder noch übergehen.
Zur Verhandlung und Entscheidung über den Betrag des materiellen Schadens und die Höhe der monatlichen Mehrbedarfsrente sowie über die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens wird die Sache an das Landgericht Wiesbaden zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung wegen der Schmerzensgeldforderung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Der Kläger nimmt das beklagte Land (nachfolgend auch: Beklagter) nach einem körperlichen Zusammenbruch während des Sportunterrichts, der zu einem irreversiblen Hirnschaden geführt hat, wegen behaupteter Amtspflichtverletzungen des Lehrpersonals durch unzureichende Erste-Hilfe-Maßnahmen auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes, Erstattung materiellen Schadens sowie auf Zahlung einer monatlichen Mehrbedarfsrente in Anspruch und begehrt die Feststellung der Ersatzpflicht des beklagten Landes für künftige Schäden. Wegen des Sachverhalts, des Parteivorbringens in beiden Rechtszügen, der in erster Instanz gestellten Anträge, der landgerichtlichen Entscheidung sowie der zunächst im Berufungsverfahren gestellten Anträge wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe zu A. des am 25. Januar 2018 verkündeten Urteils des Senats einschließlich seiner Verweisungen Bezug genommen. Durch dieses Urteil hatte der Senat die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 30. November 2016 zurückgewiesen.
Auf die Revision des Klägers hin hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 04. April 2019 - III ZR 35/18 - das Senatsurteil vom 25. Januar 2018 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, zurückverwiesen.
Im wiedereröffneten Berufungsverfahren beantragt der Kläger, wie folgt zu erkennen:
1. Das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 26.11.2016 zu Az. 5 O 201/15 wird aufgehoben.
2. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird und den Betrag von 500.000 EUR nicht unterschreiten sollte.
3. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 102.999,68 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
4. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine vierteljährlich im Voraus zu zahlende monatliche Mehrbedarfsrente von 3.078 EUR zu zahlen.
5. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtlichen zukünftigen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihm aus dem Schadensereignis vom XX.XX.2013 noch entsteht, soweit der Anspruch nicht auf Dritte, insbesondere Sozialversicherungsträger übergegangen ist oder übergeht.
Hilfsweise beantragt der Kläger,
das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 26.11.2016 zu Az. 5 O 201/15 aufzuheben und die Sache gemäß § 538 Absatz 2 Nr. 1 ZPO an das Gericht des ersten Rechtszuges zurück zu verweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat Beweis erhoben über die Behauptung des Klägers, sein gesundheitlicher Zustand sei unmittelbare Folge des erlittenen hypoxischen Hirnschadens wegen mangelnder Sauerstoffversorgung des Gehirns infolge unterlassener Reanimationsmaßnahmen durch die beiden Sportlehrer durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen SV1, Facharzt für Innere Medizin, Notfallmedizin, Palliativmedizin und ärztliches Qualitätsmanagement, und den Sachverständigen mündlich angehört. Wegen des Ergebnisses des schriftlichen Gutachtens wird auf das Gutachten vom 29.07.2020 Bezug genommen; wegen des Ergebnisses der mündlichen Anhörung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 28.06.2021 verwiesen.
B. Die Berufu...