Verfahrensgang

LG Gießen (Urteil vom 03.06.1998; Aktenzeichen 2 O 360/97)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Teilurteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Gießen vom 3. Juni 1998 – 2 O 360/97 – und das ihm zugrunde liegende Verfahren aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Berufungsverfahrens – an das Landgericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschwer: unter DM 20.000,–.

 

Tatbestand

I. Der Kläger macht seine Vergütung aus einem vorzeitig gekündigten Architektenvertrag geltend; gleichzeitig begehrt er negative Feststellung von Gewährleistungsansprüchen des Beklagten, mit denen dieser die Aufrechnung erklärt.

Das Landgericht hat nach Widerspruch gegen ein die gesamte Klage stattgebendes Versäumnisurteil die auf Zahlung gerichtete Klage durch Teilurteil abgewiesen, weil der Vergütungsanspruch weder aus § 631 BGB noch aus § 642 BGB begründet sei.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seinen Vergütungsanspruch weiter.

 

Entscheidungsgründe

II. Die zulässige Berufung ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie des ihm zugrunde liegenden Verfahrens und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Das landgerichtliche Verfahren leidet an einem erheblichen Verfahrensfehler.

Das Teilurteil ist unzulässig.

1. Grundsätzlich ist ein Teilurteil unzulässig, wenn sein Erlass die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen gegenüber dem Schlussurteil, und sei es auch nur in den Begründungen, heraufbeschwört; es ist nur dann zulässig, wenn es von der Entscheidung über den Rest unter keinen Umständen mehr berührt werden kann. Dabei ist zu bedenken, dass das Berufungsgericht die Rechts- und/oder die Beweislage abweichend beurteilen kann (BGH – 11.4.1990-NJW 1991, 570 [571]; ders. – 12.1.1994-WM 1994, 865 [868]; OLG München –28.4.1994– NJW-RR 1994, 1278; OLG Düsseldorf– 11.10.1996 -NJW-RR 1997, 659 [660]; OLG Köln – 6.2.1992 – VersR 1993, 207 [208]).

2. Die Abweisung der Zahlungsklage des Klägers gegen den Beklagten berührt zwar die (positive oder negative) Feststellung von Schadensersatzansprüchen des Beklagten gegen den Kläger nicht. Würde jedoch der Senat als Berufungsgericht die auf Zahlung von Architektenvergütung gerichtete Klage anders beurteilen als das Landgericht, also Vergütungsansprüche für begründet erachten, müsste er die zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzansprüche des Beklagten prüfen. Derartige Ansprüche sind jedoch – mindestens zum Teil – Gegenstand des noch beim Landgericht anhängigen Rechtsstreites. Insoweit ist eine abweichende Beurteilung dieser Schadensersatzansprüche durch die beiden Gerichte nicht auszuschließen.

3. Die Gefahr widersprechender Entscheidungen wäre allerdings ausgeräumt, wenn das Berufungsgericht ein solches Teilurteil rechtskräftig bestätigen würde.

Hieran sieht sich der Senat jedoch gehindert.

3.1. Gemäß § 8 Abs. 1 HOAI ist die Vergütung fällig, wenn die Leistung vertragsgemäß erbracht und eine prüffähige Honorarschlussrechnung überreicht worden ist. Das Gleiche gilt bei einer vorzeitigen Beendigung des Architektenvertrages (BGH – 19.6.1986 – NJW-RR 1986, 1279).

Eine solche Vertragsbeendigung aufgrund einer Kündigung seitens des Beklagten (§ 649 Satz 1 BGB) liegt hier nahe, nachdem sich der Kläger geweigert hatte, weiter tätig zu werden.

3.2. Auf die formelle Prüffähigkeit der Schlussrechnung des Klägers kommt es hier nicht an.

Der Beklagte hat zwar die Prüffähigkeit der Schlussrechnung des Klägers vom 12. März 1997 in einem nach Schriftsatzschluss am 14. Januar 1998 eingereichten Schriftsatz vom 12. Februar 1998 beanstandet. In der danach wieder eröffneten Verhandlung ist er hierauf aber nicht mehr eingegangen. Damit ist er an seiner Erklärung in seinem Schriftsatz vom 23. Oktober 1997, den restlichen Honoraranspruch des Klägers der Höhe nach nicht zu bestreiten, festzuhalten.

Bestreitet der Auftraggeber die Höhe des Vergütungsanspruchs aus einer Architektenrechnung weder in sachlicher noch in rechnerischer Hinsicht, dann kommt es auf die Prüffähigkeit dieser Rechnung nicht an. Denn das Erfordernis der Prüffähigkeit dient keinem Selbstzweck, sondern bezweckt nur, dem Auftraggeber die Höhe der Vergütung in nachvollziehbarer Weise zu darzulegen (BGH – 18.9.1997 – NJW 1998, 135 [136]; ders. –8.10.1998– NJW-RR 1999, 95 [96]).

3.3. Ist aber von einer Beendigung des Vertragsverhältnisses der Parteien auszugehen, dann ergibt sich daraus auch die Fälligkeit des Vergütungsanspruches des Klägers. Dies wiederum führt zu der Feststellung, dass es doch auf die zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzansprüche des Beklagten ankommt.

Damit kann das angefochtene Teilurteil keinen Bestand haben.

4. Als Rechtsfolge der Unzulässigkeit eines Teilurteils kommt die Möglichkeit in Betracht, den noch am Landgericht verbliebene Teil des Rechtsstreites an das Berufungsgericht „hochzuziehen” (BGH – 10.10.1991 -NJW 1992, 511 [512]; ders. – 12.1.1994 – a.a.O.; OLG Düsseldorf – 11.10.1996 – a.a.O...

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