Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 15.03.2011; Aktenzeichen 2/18 O 101/08) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 15.3.2011 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main (2-18 O 101/08) abgeändert.
Der Beklagte wird unter Abweisung der Schmerzensgeldklage (Berufungsantrag zu 1) im Übrigen verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 40.000 EUR zu bezahlen.
Die Berufungsanträge zu 2 und 3 sind dem Grund nach gerechtfertigt.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden aus der Behandlung vom 13.10.2006 zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Die 1955 geborene Klägerin leidet seit 1974 an der entzündlichen Darmerkrankung Morbus Crohn. Seit 1999 war sie deswegen bei dem Beklagten, einem niedergelassenen Chirurgen und Proktologen, in Behandlung. Akute Schübe wurden mit Steroiden behandelt; es wurden seit 2000 mehrere Koloskopien (Darmspiegelungen) durchgeführt, vor dem streitgegenständlichen Eingriff zuletzt am 29.4.2005.
In orthopädischer ambulanter Behandlung befand sich die Klägerin bei Dr. H. nach dessen Bescheinigung (Bl. 172 d.A.) „vom 30.6.2006 bis 31.10.2006 ausschließlich auf Grund von Beschwerden im Bereich der linken Schulter”.
Nach Unterzeichnung eines Aufklärungsbogens am 1.9.2006 und Vorliegen eines von der Hausärztin veranlassten Laborberichts führte der Beklagte am 13.10.2006 erneut eine Koloskopie durch.
Am Folgetag (14.10.2006) wurde die Klägerin als Notfall wegen „akuten Abdomens” in ein Krankenhaus in Fulda aufgenommen, wo eine Darmperforation (am Colon transversum) festgestellt wurde, ein Teil des Darms reseziert und die Milz entfernt werden mussten. Im Rahmen der Folgebehandlung musste sich die Klägerin mehreren schwerwiegenden weiteren Eingriffen unterziehen. U.a. wurde ihr vorübergehend ein künstlicher Darmausgang geschaffen.
Die Klägern hat in erster Instanz im Wesentlichen behauptet, die Koloskopie am 13.10.2006 sei nicht indiziert gewesen, bei Durchführung der Koloskopie habe der Beklagte den Dickdarm behandlungsfehlerhaft kleinfingerstark perforiert und ein Aufklärungsgespräch habe vor der Koloskopie nicht stattgefunden. Der Aufklärungsbogen sei ihr von einer Mitarbeitern des Beklagten an der Rezeption mit der Bitte um Unterschrift überreicht worden. Die Beschreibungen im Aufklärungsbogen würden den tatsächlichen Risiken des Eingriffs nicht gerecht. Wenn sie gewusst hätte, dass bei Morbus Crohn ein erhöhtes Perforationsrisiko bestand, so dass bei geringsten Zugkräften ausgedehnte Perforationen entstehen können, hätte sie von der abermaligen Koloskopie abgesehen.
Die Klägerin hat schwerwiegende unmittelbare und mittelbare Folgen der Darmperforation (vgl. S. 4 oben des angefochtenen Urteils) beklagt und ein Schmerzensgeld von mindestens 60.000 EUR für angemessen gehalten. Soweit sie materiellen Schadensersatz (12.520 EUR nebst gesetzliche Zinsen seit 18.11.2007) verlangt hat, stützte sie dies im Wesentlichen auf behauptete Beeinträchtigungen in der Haushaltsführung, daneben auf Bekleidungsmehrbedarf, auf eigene Fahrtkosten sowie Fahrtkosten und Telefonkosten von Angehörigen. Sie hat den Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren (2.594,20 EUR nebst gesetzliche Zinsen seit 18.11.2007) und die Feststellung verlangt, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden aus der Behandlung vom 13.10.2006 zu ersetzen, soweit kein Forderungsübergang eingetreten ist.
Der Beklagte hat sich gegen die Inanspruchnahme verteidigt und einen Behandlungsfehler bestritten. Er habe die Klägerin im September 2006 wie auch vor den vorangegangenen Koloskopien ausreichend auf das Risiko einer Verletzung des Darms mit entsprechenden Nachblutungen, ggf. erforderlich werdende weitere Eingriffe und sich daraus möglicherweise ergebenden Komplikationen hingewiesen. Vorsorglich hat er sich darauf berufen, dass die Klägerin auch bei ihrer Ansicht nach ordnungsgemäßer Aufklärung in den Eingriff eingewilligt hätte, weil sie jedes Mal nach entsprechender Aufklärung eingewilligt habe.
Das Landgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme (Sachverständigengutachten, zeugenschaftliche Vernehmung des Ehemannes der Klägerin, Vernehmung der Klägerin und unter Verzicht auf die bereits beschlossene Vernehmung des Beklagten) abgewiesen.
Ein Behandlungsfehler sei nicht erwiesen.
Zwar wäre die Koloskopie nicht indiziert gewesen, wenn sich die Klägerin bei dem Beklagten le...