Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Investitionsbegriff bei Bauverpflichtung in Verträgen mit der Treuhand/Präklusionswirkung des Grundurteils betreffend Anfechtung
Leitsatz (amtlich)
1. Bei Verträgen mit der ehemaligen Treuhandanstalt ist der Investitionsbegriff so zu verstehen, dass damit alle Aufwendungen gemeint sind, die dazu dienen sollen, ein bestimmtes Vorhaben zu entwickeln.
2. Auch bei einem Grundurteil kann nicht nach dessen Erlass die Anfechtung erklärt werden, wenn die Anfechtungslage (ob bekannt oder unbekannt) schon zum Zeitpunkt des Erlasses bestand.
3. Ficht ein Grundstückskäufer den Kaufvertrag an und veräußert zeitlich später das Kaufobjekt, kann er sich gegenüber seinem Verkäufer nicht auf die Anfechtung berufen.
Normenkette
ZPO § 304
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Urteil vom 05.04.2007; Aktenzeichen 3 O 31/04) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 5.4.2007 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des LG Darmstadt abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden unter Abweisung der weiter gehenden Klage als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin eine Vertragsstrafe i.H.v. EUR 1.240.219,62 (in Worten: Einemillionzweihundertvierzigtausendzweihundertneunzehn 62/100) nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB für den Zeitraum vom 21.3.2003 bis 17.7.2011 einschließlich zu zahlen.
Die weiter gehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Anschlussberufung der Klägerin gegen das vorbezeichnete Urteil vom 5.4.2007 wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits - soweit über diese nicht bereits durch Senatsbeschluss vom 24.4.2006 rechtskräftig entschieden wurde -
a) haben die Klägerin 16 % im ersten Rechtszuge und 14 % im zweiten Rechtzuge,
b) die Beklagten als Gesamtschuldner 84 % im ersten Rechtszuge und 86 % im zweiten Rechtzuge zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien dürfen jeweils die gegen sie gerichtete Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages zzgl. 15 % hieraus abwenden, wenn nicht die andere Seite vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zzgl. 15 % hieraus leistet.
Gründe
I. Mit der Begründung, die Beklagten seien ihrer kaufvertraglichen Verpflichtung nicht nachgekommen, in das Kaufobjekt innerhalb des vorgegebenen Zeitrahmens 6 Millionen DM zu investieren, hat die Klägerin vorliegend einen Vertragsstrafeanspruch i.H.v. EUR 1.483.085,98 (= DM 2.900.664,05) geltend gemacht. Zwischen den Prozessparteien ist die Höhe der getätigten Investitionen, von deren Höhe wiederum die Höhe der Vertragsstrafe abhängt, ebenso streitig wie die Rechtswirksamkeit der beklagtenseits erklärten Kaufvertragsanfechtung und ihres erklärten Rücktritts vom Vertrag.
Mit am ... 1.1995 notariell beurkundeten Vertrag (Bl. 5 d.A.), auf dessen Inhalt verwiesen wird, verkaufte die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben, diese handelnd für die Bundesrepublik Deutschland und als treuhänderische Verwalterin des Vermögens der Christlich-Demokratischen Union ("CDU-Ost"), der Beklagten zu 5, einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Gesellschafter die Beklagten zu 1 bis 4 sind, das Schloss 1 nebst Nebengebäuden.
In § 4 des Vertrages wird ein Kaufpreis von 1 Million DM verlautbart (i.e. EUR 511.291,88), hierauf DM 626.272 auf das Gebäude entfallend. § 9 Abs. 1 des Kaufvertrages hat u.a. folgenden Wortlaut:
Der Käufer (= die Beklagten) verpflichtet sich, auf dem Kaufgegenstand das im Vorhabeplan in Anlage 4 zu diesem Vertrag näher beschriebene Investitionsvorhaben innerhalb der dort genannten Frist fertig zu stellen und dabei insgesamt DM 6.000.000,- [i.e. EUR 3.067.751,38] zu marktüblichen Konditionen in den Kaufgegenstand zu investieren.
§ 9 Abs. 2 enthält u.a. die nachstehenden Bestimmungen:
Für den Fall, dass die in Abs. 1 zugesagten Maßnahmen nicht innerhalb der vereinbarten oder einer eventuell gem. § 14 InVorG verlängerten Frist durchgeführt werden, hiervon wesentlich abgewichen oder der Investitionsbescheid widerrufen wird, verpflichtet sich der Käufer zur Rückübertragung des Kaufgegenstandes auf den Verkäufer zu 1. Darüber hinaus steht der Treuhandanstalt ein Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe i.H.v. 50 % des bei Fristablauf noch nicht investierten Teils der zugesagten Investitionssumme gem. Abs. 1 (höchstens DM 3.000.000,-) zu, mindestens jedoch i.H.v. 5 % der Gesamtinvestitionssumme gem. Abs. 1 (DM 300.000,-).
In der in Bezug genommenen Anlage 4 erklären die Beklagten, dass sie planten, das Schloss zu einem Tagungs- u., Ferienhotel auszubauen bzw. zu einer nutzungsartähnlichen Einrichtung oder Nutzung kleiner Einheiten für verschiedene Gewerbe- und Dienstleistungsbetriebe "Die gesamte Investitionssumme wird sich auf 6.000.000,- DM belaufen".
In § 6 des Kaufvertrages wird die Sachmängelgewährleistung ausgeschlossen und darauf verwiesen, dass der Käufer Gelegenheit gehabt habe, den ...