Entscheidungsstichwort (Thema)

Löschung von Post bei Facebook - Nachholung unterlassener Anhörung

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 03.09.2020; Aktenzeichen 2-03 O 282/19)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt vom 3. September 2020 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird hinsichtlich Ziff. 4, 5 und 9 der Berufungsanträge zugelassen.

 

Gründe

A. Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche im Zusammenhang mit einer vorübergehenden Teilsperre des Facebook-Kontos des Klägers und der Löschung eines seiner Beiträge durch die Beklagte geltend.

Der Kläger unterhält seit 2015 ein privates Nutzerkonto für ein von der Muttergesellschaft der Beklagten betriebenes weltweites soziales Netzwerk, dessen Anbieterin und Vertragspartnerin für Nutzer mit Sitz in Deutschland die Beklagte ist. Zur Regelung der Einzelheiten der Nutzung ihres Netzwerks verwendet die Beklagte unter anderem von ihr vorgegebene Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards. Am 19. April 2018 änderte sie die vorgenannten Bedingungswerke. Mittels einer Pop-up-Nachricht informierte sie die Nutzer über die aktualisierten Nutzungsbedingungen und forderte sie auf, diese anzunehmen. Die weitere Nutzung des Netzwerks und der damit verbundenen Funktionen war den Nutzern nur möglich, wenn sie den geänderten Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards zustimmten. Dies tat der Kläger am 20. April 2018.

Die geänderten Gemeinschaftsstandards, auf die in Nr. 3.2 und Nr. 5 der Nutzungsbedingungen Bezug genommen wird, enthalten in Ziff. 12 Bestimmungen zur Hassrede. Wegen des genauen Wortlauts wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Der Kläger postete am oder vor dem 24. November 2018 auf der Plattform der Beklagten einen Beitrag mit folgendem Inhalt:

"So lange die sich gegenseitig Abstechen ist das doch ok. Ist jemand anderer Meinung?" *Messer-Emoji*

Der Kläger reagierte hierbei auf einen Artikel über eine gewalttätige Auseinandersetzung zwischen (...) in einer Flüchtlingsunterkunft, in deren Verlauf diese untereinander Messer eingesetzt hatten. Dieser hatte die Überschrift "Die nächste Messerstecherei unter (...)". In dem Textbeitrag heißt es u.a. "Die lachen sich kaputt über die Polizei und über deutsche Gesetze und den offenbar doch real existierenden Asylantenbonus" sowie "Zuletzt soll ein (...), der schon einmal in Haft saß, Landsmänner mit einem Messer verletzt haben.".

Die Beklagte löschte den Beitrag am 24. November 2018 und sperrte vorübergehend bestimmte Teilfunktionen des Kontos des Klägers.

Die Parteien haben erstinstanzlich insbesondere darüber gestritten, ob die Nutzungsbedingungen der Beklagten nebst Gemeinschaftsstandards vom Frühjahr 2018 Vertragsbestandteil geworden sind, der Entfernungs- und Löschvorbehalt in Nr. 3.2 der Nutzungsbestimmungen und die Bestimmungen der Gemeinschaftsstandards zur Hassrede wirksam sind, der Beitrag des Klägers gegen die Gemeinschaftsstandards verstößt und eine Hassrede darstellt und ob die Äußerung, die als Werturteil den Schutz der Meinungsfreiheit genieße, gelöscht werden oder zum Anlass einer Kontosperre gemacht werden durfte.

Der Kläger hat die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Kontosperre begehrt sowie die Verurteilung der Beklagten zur Freischaltung des gelöschten Beitrags, zur Unterlassung einer erneuten Kontosperrung und Löschung des Beitrages bei dessen erneuter Einstellung sowie zur Erteilung von Auskunft darüber, ob die Sperrung durch ein beauftragtes Unternehmen erfolgt sei und ob die Beklagte Weisungen, Hinweise, Ratschläge oder sonst irgendwelche Vorschläge von der Bundesregierung oder nachgeordneten Dienststellen hinsichtlich der Löschung von Beiträgen und/oder der Sperrung von Nutzern erhalten habe. Ferner hat er Schadensersatz in Höhe von 1.500 EUR und Freistellung von Rechtsanwaltskosten verlangt.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 625 ff. d.A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Klageantrag zu 1 sei mangels Feststellungsinteresses unzulässig. Im Übrigen sei die Klage unbegründet. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die von der Beklagten seit Frühjahr 2018 gestellten Vertragsbedingungen seien wirksam vereinbart. Die in Ziff. 12 der Gemeinschaftsstandards niedergelegte Definition von "Hassrede" und die hieran anknüpfenden Sanktionen in Ziff. 3.2 der Nutzungsbedingungen verstießen nicht gegen § 307 Abs. 1 S. 2 oder Abs. 2 BGB. Es liege auch keine überraschende Klausel im Sinne von § 305c BGB vor. Die Löschung des Beitrags sei nicht rechtswidrig erfolgt. Bei der Äußerung des Klägers handele es sich zwar um eine Meinungsäußerung, die nicht als Schmähkritik anzusehen sei. Sie sei jedoch als Hassrede anzusehen. Sie knüpfe an eine geschützte Eigenschaft im Sinne der Gemeinschaftsstandards der...

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