Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausbildungsunterhalt: Anspruch eines volljährigen Kindes, das seiner Obliegenheit zur zielstrebigen Durchführung seiner Ausbildung nicht nachkommt

 

Leitsatz (amtlich)

Die Rücksichtnahme auf die Belange der mit der Unterhaltszahlung belasteten Eltern gebietet es, die Ausbildung zielstrebig durchzuführen. Wenn der Kläger dieser Obliegenheit nicht nachkommt, büßt er seinen Unterhaltsanspruch ein und muss sich darauf verweisen lassen, selbst für seinen Lebensunterhalt aufzukommen.

 

Normenkette

BGB § 1610

 

Verfahrensgang

AG Gießen (Aktenzeichen 29 F 861/07)

 

Gründe

Die Mutter des Klägers und der Beklagte sind geschiedene Eheleute. Aus der Ehe sind der ... 1989 geborene Kläger und ein weiterer 16-jähriger Sohn, der im Haushalt der Kindesmutter lebt, hervorgegangen.

Der Kläger lebte nach der Trennung seiner Eltern zunächst ebenfalls bei der Kindesmutter, zog jedoch mit deren Zustimmung im Jahr 2003 zum Beklagten, der gemeinsam mit seiner zweiten Ehefrau und deren Tochter in einem Haushalt lebt. Im Frühjahr 2007 kam es zu Unstimmigkeiten zwischen den Parteien, die ihren Ursprung u.a. darin hatten, dass sich die schulischen Leistungen des Klägers erheblich verschlechtert hatten. Er besuchte zu diesem Zeitpunkt die 12. Jahrgangsstufe der ... Schule ... und sein Halbjahreszeugnis wies für das erste Schulhalbjahr ... unentschuldigte Fehltage auf.

Der Kläger verließ in der Folgezeit den Haushalt des Beklagten und war auch durch gemeinsame Gespräche mit den Kindeseltern unter Mitwirkung des Jugendamtes nicht zu bewegen, zum Beklagten zurückzukehren. Er bezog vielmehr eine eigene Wohnung und nahm den Beklagten ab Mai 2007 auf Barunterhalt in Anspruch.

Der Beklagte ist ungelernter Arbeiter und war bis 1995 als Produktionsarbeiter tätig. In der Folgezeit war er im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses bis zu einer betriebsbedingten Kündigung wegen erheblicher Umsatzeinbußen zum 31.8.2007 im Betrieb seiner jetzigen Ehefrau tätig. Diese betreibt einen Frühstücksservice und erzielte dort im Jahr 2007 einen Gewinn von 15.358 EUR. Von Oktober bis Dezember 2007 übte der Beklagte verschiedene Tätigkeiten im Rahmen geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse mit einem Durchschnittseinkommen von 930 EUR aus.

Seit 1.1.2008 ist er krankgeschrieben und musste sich im Jahr 2008 bereits zweimal operieren lassen.

Die Kindesmutter ist kaufmännische Angestellte, war jedoch von März 2007 bis April 2008 arbeitslos. Sie bezog in dieser Zeit monatlich Arbeitslosengeld i.H.v. 900 EUR. Ihre Einkünfte vor ihrer Arbeitslosigkeit und seit der Wiederbeschäftigung im Mai 2008 sind nicht bekannt.

Das AG hat den Beklagten verurteilt, für die Zeit von Mai bis Dezember 2007 an den Kläger einen Unterhaltsrückstand von 1572 EUR und ab 1.1.2008 Ausbildungsunterhalt i.H.v. 486 EUR monatlich zu zahlen.

Der Beklagte müsse sich ein fiktives Einkommen aus mehreren geringfügigen Beschäftigungen für den gesamten von der Klage umfassten Zeitraum i.H.v. mindestens 600 EUR anrechnen lassen. Dieses Einkommen stehe in voller Höhe für Unterhaltszahlungen zur Verfügung, da sämtliche Lebenshaltungskosten des Beklagten von seiner Ehefrau getragen würden. Auch unter Berücksichtigung der vorrangigen Unterhaltsverpflichtung ggü. dem minderjährigen Bruder des Klägers sei der Beklagte daher in der Lage, den geltend gemachten Unterhaltsanspruch zu erfüllen.

Wegen der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils verwiesen.

Gegen dieses ihm am 5.2.2008 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 5.3.2008 Berufung eingelegt, die er mit Schriftsatz vom 3.4.2008 begründete. Das Urteil des AG Gießen sei falsch, da dort zu Unrecht von seiner Leistungsfähigkeit ausgegangen werde. Tatsächlich sei er infolge seiner körperlichen Einschränkungen bereits in 2007 nicht in der Lage gewesen mehr als ein Einkommen von circa 500 EUR monatlich zu erzielen. Ab Januar 2008 sei er krankheitsbedingt außer Stande überhaupt einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Auch seine Ehefrau sei nur eingeschränkt leistungsfähig, da ihr nach Abzug aller Verbindlichkeiten monatlich lediglich circa 700 EUR verblieben. Sie sei daher nicht imstande, für seinen Unterhalt aufzukommen. Das Urteil sei auch deshalb falsch, weil die Einkommensverhältnisse der Kindesmutter seitens des Klägers nicht dargelegt seien. Im Hinblick darauf, dass auf seiner Seite fiktive Einkünfte berücksichtigt würden, obliege es dem Kläger auch zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Mutter und ihren Verdienstmöglichkeiten vorzutragen, damit sich der Haftungsanteil der Eltern feststellen lasse. Da dies vorliegend nicht geschehen sei, sei die Klage unschlüssig.

Im Rahmen der Berufungsbegründung berief sich der Beklagte auch darauf, dass eine Barunterhaltsverpflichtung dem Grunde nach nicht bestehe. Er habe ggü. dem Kläger von dem ihm zustehenden Bestimmungsrecht nach § 1612 Abs. 2 BGB Gebrauch gemacht, indem er den Kläger wiederholt zur Rückkehr in seinen Haushalt aufgefordert habe, um ihm dort Naturalunterh...

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