Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Irreführung durch Berufen auf Anscheinsbeweis bei abhandengekommener EC-Karte
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Zahlungsdienstleister verstößt nicht gegen § 675w S. 4 BGB, wenn er die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Anscheinsbeweises erbringt, indem er darlegt, dass die Sicherheitsmerkmale von Zahlungskarten praktisch unüberwindbar sind.
2. Eine irreführende geschäftliche Handlung im Sinne von § 5 Abs. 1 S. 2 UWG liegt nicht vor, wenn sich eine Bank zur Abwehr von Ansprüchen eines Kunden (hier: Erstattung von Beträgen, die mit einer angeblich entwendeten EC-Karte abgehoben wurden) auf die Regeln des Anscheinsbeweises beruft.
Normenkette
BGB § 675w; UWG § 5 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 11.03.2020; Aktenzeichen 2-06 O 332/19) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 11.3.2020 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Der Kläger macht gegen die Beklagte wettbewerbsrechtliche Unterlassungs-, Beseitigungs- und Kostenerstattungsansprüche geltend.
Anlass des Rechtsstreits ist eine Auseinandersetzung zwischen der Beklagten und ihrer Kundin A. Die Beklagte hat der Kundin eine Debitkarte zur Verfügung gestellt und ihr die Möglichkeit eingeräumt, unter Einsatz der ihr mitgeteilten PIN Bargeldabhebungen an Geldautomaten vorzunehmen.
Im September 2018 wurden zwischen 11 und 12 Uhr an einem Geldautomaten der IC Cash Services in Stadt1 drei Bargeldauszahlungen in Höhe von 990 EUR vorgenommen, die von dem Konto der Kundin abgebucht wurden. Gegen 17 Uhr ließ die Kundin die Karte sperren; sie sei ihr gestohlen worden. Die Kundin forderte die Beklagte zur Erstattung der abgebuchten Beträge auf, was diese mit Schreiben gemäß Anlage K3 mit der Begründung ablehnte, dass die Bargeldabhebung mit der Original-Debitkarte unter Eingabe der PIN erfolgt sei, so dass aufgrund des Anscheinsbeweises davon auszugehen sei, dass der Verwender der Karte Kenntnis von der PIN gehabt habe und diese demgemäß nicht ausreichend geheim gehalten worden sei.
Ein von der Kundin eingeleitetes Schlichtungsverfahren vor dem Ombudsmann der privaten Banken blieb erfolglos.
Im April 2019 mahnte der Kläger die Beklagte erfolglos ab. Sie sieht in dem Umstand, dass sich die Beklagte auf die Regeln des Anscheinsbeweises beruft, eine wissentliche unlautere Irreführung.
Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen wird (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO), hat die Klage abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlichen Klageanträge weiterverfolgt.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und
1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern, mit denen ein Zahlungsdienstvertrag geschlossen wurde und denen die Bank1-Card von Dritten entwendet wurde und zu deren Lasten mit dieser Bargeldabhebungen erfolgten und dadurch das Zahlungskonto belastet wurde, eine Erstattung der dadurch entstandenen Schäden unter Berufung auf das Vorliegen eines Anscheinsbeweises dahingehend zu verweigern, dass der Karteninhaber die PIN nicht ausreichend geheim gehalten und damit eine erhebliche Sorgfaltspflichtverletzung im Umgang mit der Bank1-Card und der PIN begangen zu haben, ohne für die Behauptung (unterstützende) Beweismittel vorzulegen;
2. die Beklagte zu verurteilen, Verbrauchern, mit denen ein Zahlungsdienstvertrag geschlossen wurde und denen eine Erstattung des in Folge der unautorisierten Kontobelastung entstandenen Schadens, wie unter 1. beschrieben, verweigert wurde, ein individualisiertes Benachrichtigungsschreiben zu senden, in dem diese darüber informiert werden, dass ihnen, ohne Vorlage unterstützender Beweismittel für die Annahme grober Fahrlässigkeit der Schaden ersetzt werden muss;
3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Auslagen für die vorgerichtliche Abmahnung in Höhe von 214,- EUR zuzüglich fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.5.2019 zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
A) Ein Unterlassungsanspruch steht dem Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
Ein solcher folgt insbesondere nicht aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3, 3, 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 UWG.
Gemäß ...