Leitsatz (amtlich)
1. Die Bauaufsichtsbehörde trifft auch ggü. dem Bauwilligen die Amtspflicht, keinen rechtswidrigen Bauvorbescheid zu erteilen; die schuldhafte Verletzung dieser Pflicht kann Amtshaftungsansprüche des im Vertrauen auf den Vorbescheid Fehlinvestitionen tätigenden Bauwilligen auslösen (BGH v. 30.6.1988 - III ZR 232/86, BGHZ 105, 52 [54 f.] = MDR 1988, 939)
2. Einer Qualifizierung als Bauvorbescheid steht nicht zwingend entgegen, dass eine Baugenehmigung nach dem Wortlaut des behördlichen Schreibens nur "in Aussicht gestellt" wird (VGH BW v. 29.6.1994 - 5 S 2286/93, BauR 1995, 70 ff.).
3. Wenn Bauvoranfrage und Bauvoranlagen eindeutig erkennen lassen, dass die Verwirklichung des Neubauvorhabens den Abriss vorhandener Bausubstanz voraussetzt, dann ist Gegenstand der Bauvoranfrage wie des Vorbescheids regelmäßig auch die Zulässigkeit des Abrisses (BGH v. 17.5.1984 - III ZR 86/83, MDR 1985, 210 = NJW 1985, 1335 ff. [unter I der Entscheidungsgründe]); mit der Genehmigung des nur unter dieser Voraussetzung zu realisierenden Neubauvorhabens wird stillschweigend auch die Genehmigung des Abbruchs angekündigt (VGH Hess. HessVGRspr 1982, 1 [2]).
4. In einem solchen Fall ist der Architekt ggü. seinem Auftraggeber vertraglich nicht verpflichtet, die Fragen des Abrisses und des Denkmalschutzes ausdrücklich im Rahmen der Bauvoranfrage anzusprechen.
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Urteil vom 16.01.2002; Aktenzeichen 2 O 187/01) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 16.1.2002 verkündete Grundurteil der 2. Zivilkammer des LG Darmstadt wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Entscheidung über die mit Schriftsatz vom 18.8.2003 erklärte Hilfsaufrechnung dem Nachverfahren vorbehalten bleibt.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger oder ihr Streithelfer vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger begehren von der Beklagten Schadensersatz für einen vermeintlich rechtswidrigen, wieder aufgehobenen Bauvorbescheid, der sie zu umfangreichen, sich als nutzlos erweisenden Investitionen verleitet habe.
Der Streithelfer der Kläger reichte für diese beim Bauaufsichtsamt der Beklagten eine formularmäßige Bauvoranfrage ein, die auf Seite 2 (Bl. 111 d.A.) ein Anlagenverzeichnis enthielt, in dem unter Nr. 9 aufgeführt ist "Baubeschreibung - Abbruch oder Beseitigung baulicher Anlagen". Diese Position hatte der Streithelfer nicht angekreuzt, speziell hierauf bezogene Unterlagen nicht beigefügt. Aus dem vorgelegten Lageplan und den ebenfalls vorgelegten Bauzeichnungen im Maßstab 1: 200 ergab sich allerdings für den fachkundigen Betrachter ohne Weiteres, dass die vorhandene Bebauung für das Neubauvorhaben teilweise hätte abgerissen werden müssen. Unstreitig verkannten auch die Bediensteten der Beklagten diese Notwendigkeit nicht. Die Beklagte stellte mit Schreiben vom 8.12.1998 (Bl. 7 ff. d.A.) eine bauaufsichtliche Genehmigung des "geplanten Bauvorhabens entsprechend der vorgelegten Planunterlagen" für den Fall in Aussicht, dass einige Punkte beachtet würden; sie ergänzte dieses Schreiben unter dem 17.12.1998 (Bl. 10 f. d.A.). Mit einem Schreiben vom 10.3.1999 (Bl. 28 f. d.A.) erklärte die Beklagte, sie ändere die Bescheide vom 8./17.12.1998 ab, eine Baugenehmigung könne nicht in Aussicht gestellt werden. In der Begründung dieses Schreibens führte sie aus:
"Vorliegend war die Bebaubarkeit ohne Prüfung des Denkmalschutzes unter einschränkenden Voraussetzungen bejaht worden. Ihre Bauvoranfrage sieht in wesentlichen Teilen den Abbruch der vorhandenen Bausubstanz (...) vor."
Die Kläger haben beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 692.132,87 DM nebst 7,5 % Zinsen seit dem 1.2.2001 abzgl. bereits gezahlter 50.000 DM zu verurteilen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils.
Das LG hat die Klage für dem Grunde nach gerechtfertigt erklärt. Dagegen hat die Beklagte Folgendes zu erinnern:
I. Die im Rubrum des landgerichtlichen Urteils als Kläger aufgeführten Eheleute T. seien nicht aktiv legitimiert; geklagt habe die Gesellschaft bürgerlichen Rechts B. S./T., die auch ggü. der Beklagten als Antragsteller aufgetreten sei.
II. Das Schreiben der Beklagten vom 8.12.1998 sei mangels verbindlicher Regelung kein Vorbescheid, sondern nur eine Wissenserklärung gewesen.
III. Es habe zur denkmalschutzrechtlichen Zulässigkeit des Abbruchs vorhandener Bebauung keine Aussage getroffen, weil die Kläger in der Bauvoranfrage danach nicht gefragt hätten; die Beschränkung des Prüfungsumfangs ergebe sich aus dem fehlenden Kreuzchen auf Seite 2 des Formulars.
IV. Der Anspruch der Kläger sei nach § 839 Abs. 3...