Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang des herauszugebenden Gewinns bei Patentverletzung ("Zuschnitt")
Leitsatz (amtlich)
Der durch eine Patentverletzung erzielte Gewinn ist nur dann in vollem Umfang an den Patentinhaber herauszugeben, wenn er auch in vollem Umfang auf der Patentverletzung beruht. Dies ist nur in Ausnahmefällen anzunehmen, wenn etwa die Erfindung einen völlig neuen Gebrauchsgegenstand hervorgebracht hat (Anschluss an OLG Düsseldorf Mitt. 2006, 553 - Lifter). Betrifft der Gegenstand der geschützten Erfindung dagegen eine Detailverbesserung eines vorbekannten Erzeugnisses, ist der Anteil des herauszugebenden Gewinns in wertender Betrachtung danach zu bestimmen, in welchem Maß die widerrechtliche Nutzung des Patents die Kaufentscheidung verursacht oder mitverursacht hat; dies gilt unabhängig davon, ob der Wortlaut des Patentanspruchs das gesamte Erzeugnis beschreibt.
Normenkette
PatG § 139
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 07.07.2010; Aktenzeichen 2-6 O 464/10) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 7.7.2010 verkündete Urteil des LG Frankfurt/M. (Az.: 2 - 6 O 464/10) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 44.046,15 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.6.2009 zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Berufung wird im Übrigen zurückgewiesen.
Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens haben die Klägerin 57 % und die Beklagte 43 % zu tragen. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 51 % und die Beklagte 49 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Zwangsvollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin ist Inhaberin des u.a. für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik erteilten Europäischen Patents EP ... Es betrifft einen Gegenstandsträger und einen Zuschnitt hierfür. Gegenstandsträger sind bevorzugt aus Pappe hergestellte korbartige Gebilde, die einen Handgriff aufweisen und in denen beispielsweise mehrere Behälter, z.B. Flaschen, transportiert werden können. Die Gegenstandsträger werden aus flächigem Material (vorzugsweise Pappe) hergestellt und erhalten durch Falten und bereichsweises Verbinden (z.B. Verkleben) durch Schnitte getrennter Teile ihre dreidimensionale Form.
Die Klägerin hat die Beklagte in einem vorangegangenen Verfahren vor dem LG Frankfurt/M. wegen Verletzung ihres Patents auf Unterlassung, Schadensersatz und Auskunft in Anspruch genommen (Az.: 2 - 6 O 233/04 = Beiakte). Das Verfahren wurde bis zum Abschluss eines von der hiesigen Beklagten eingeleiteten Patentnichtigkeitsverfahrens ausgesetzt. Der BGH hat die Patentansprüche neu gefasst und das darüber hinausgehende Patent für nichtig erklärt (Entscheidung v. 22.4.2008 - X ZR 84/06 - Anlage K 9 in der Beiakte, dort Bl. 442). Der Patentanspruch 1 lautet nunmehr in der Wiedergabe der vom BGH erstellten Merkmalsanalyse in deutscher Sprache:
Zuschnitt für einen Gegenstandsträger mit folgenden Merkmalen:
1. Ein Paar Seitenwandflächen.
2. Ein Paar Endwandflächen.
3. Alle diese Flächen
a) haben jeweils eine Oberkante,
b) sind an ihren Seitenkanten entlang entsprechender Faltlinien miteinander verbunden.
4. Ein Paar Griffwandflächen
a) jeweils bestehend aus einer inneren und einer äußeren Griffwandfläche,
b) die entlang einer Faltlinie miteinander verbunden sind.
5. Jede äußere Griffwandfläche
a) hat (mindestens) eine Seitenkante,
b) grenzt jeweils an einen Abschnitt einer Seitenwand- und einer Endwandfläche entlang deren Oberkante an,
c) ist jeweils durch entlang der Oberkante verlaufende Stanzlinien hiervon getrennt.
6. Jede Stanzlinie zwischen äußerer Griffwandfläche und Endwandfläche endet im Abstand zu einer Seitenkante der äußeren Griffwandfläche,
so dass zwischen äußerer Griffwandfläche und Endwandfläche jeweils ein Verbindungsabschnitt verbleibt und diese beiden Wandflächen durch die Stanzlinie (nur) teilweise getrennt sind.
7. Jede innere Griffwandfläche ist mit einer Klebelasche versehen.
Wegen der vom BGH getroffenen Feststellungen zum Erfindungsgegenstand wird auf die genannten Entscheidung sowie die Ausführungen unter II. verwiesen.
Durch Teil-Anerkenntnis- und Schlussurteil des LG vom 11.2.2009 ist die Beklagte zur Unterlassung der Herstellung und des Vertriebs der patentgeschützten Korbträger, zum Ersatz des der Klägerin seit 9.2.2002 entstandenen Schadens und zur Rechnungslegung verurteilt worden (Bl. 487 ff. Beiakte). Die Beklagte hat mit Schreiben vom 22.5.2009 und der beigefügten Artikelverkaufsstatistik (Anlage K 4) Rechnung gelegt und einen Umsatz mit patentverletzenden Korbträgern i.H.v. 564.839,06 EUR ermittelt, von dem die Einkaufsp...