Entscheidungsstichwort (Thema)

VW-Diesel-Skandal: Deliktische Haftung von VW für Dieselfahrzeuge mit unzulässiger Abschalteinrichtung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Gegenüber dem Käufer eines im Mai 2011 erworbenen Gebrauchtwagens der Marke Skoda mit Dieselmotor vom Typ EA 189 haftet VW als Herstellerin wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB, weil bei diesem Motor eine gesetzwidrige Abgasmanipulationssoftware implementiert war.

2. Im Rahmen des Schadenersatzes kann der Käufer die (Rück-)Zahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeuges verlangen.

3. Auf den zu erstattenden Kaufpreis muss sich der Käufer den Nutzungsvorteil für den Gebrauch des Fahrzeugs anrechnen lassen.

4. Deliktszinsen nach § 849 BGB auf den Kaufpreis ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses stehen dem Kläger nicht zu.

 

Normenkette

BGB §§ 826, 849

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Urteil vom 21.03.2019; Aktenzeichen 27 O 208/17)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 21.3.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Darmstadt - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - wie folgt abgeändert:

Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger 13.270,35 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.4.2017 zu zahlen, Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Pkw Skoda Modell1 mit der Fahrgestellnummer ....

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte zu 2) mit der Rücknahme des vorgenannten Fahrzeugs in Verzug befindet.

Die Beklagte zu 2) wird weiter verurteilt, den Kläger von seinen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosen bis zur Höhe von 1.029,35 EUR freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz haben zu tragen:

Von den Gerichtskosten der Kläger 86 % und die Beklagte zu 2) 14 %; von den außergerichtlichen Kosten des Klägers die Beklagte zu 2) 28 %; von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) der Kläger 72 %; die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) hat der Kläger zu tragen; im Übrigen haben die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten zu 2) bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagten wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf 47.232,- EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger macht aus abgetretenem Recht gegen die Beklagten Schadens- und Aufwendungsersatzansprüche wegen des Erwerbs eines vom sog. VW-Abgasskandal betroffenen Gebrauchtwagens geltend.

Die Ehefrau des Klägers erwarb den streitgegenständlichen gebrauchten Pkw vom Typ Skoda Modell1 mit Kaufvertrag vom 31.5.2011 zu einem Kaufpreis von 30.950,00 EUR von der Beklagten zu 1). Das Fahrzeug wies zum Kaufzeitpunkt einen Kilometerstand von 10.365 auf. Herstellerin des im streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten Dieselmotors vom Typ EA 189 war die Beklagte zu 2).

Sämtliche Ansprüche im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Kauf trat die Ehefrau des Klägers an diesen ab.

In den Motoren des genannten Typs war eine von der Beklagten zu 2) entwickelte Software eingebaut, die erkennt, ob das Fahrzeug sich auf dem Prüfstand zur Ermittlung der Emissionswerte befindet, oder ob es im Straßenverkehr genutzt wird. Hierbei kam es im Modus 1 (Prüfstandsituation) zu einer deutlich höheren Abgasrückführung und somit zu einem geringeren Ausstoß von Stickoxyden als im Modus 0 (Straßenbetrieb). Der Modus 1 war allerdings lediglich beim Durchfahren des "Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ)" - also auf dem Prüfstand - aktiv. Im normalen Straßenverkehr wurde der in den betroffenen Fahrzeugen verbaute Motor ausschließlich im Betriebsmodus 0 betrieben.

Mit schriftlicher Bestätigung vom 10.6.2016 gab das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) als zuständige Behörde die Aufspielung des Software-Updates für das streitgegenständliche Fahrzeug frei und bestätigte gleichzeitig, dass die Durchführung des Software-Updates keine negativen Auswirkungen auf das Fahrzeug haben werde. Der Kläger lehnte das Software-Update ab und erklärte mit Anwaltsschriftsatz vom 3.4.2017 gegenüber der Beklagten zu 1) den Rücktritt vom Kaufvertrag. Gleichzeitig forderte er die Beklagte zu 1) auf, das Fahrzeug bis zum 21.4.2017 zurückzunehmen und den gezahlten Kaufpreis abzüglich eines angemessenen Nutzungsersatzes zu erstatten. Die Beklagte zu 2) ließ der Kläger ebenfalls mit Anwaltsschreiben vom 3.4.2017 zur Rücknahme des Fahrzeugs und Rü...

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