Leitsatz (amtlich)
Zum Anspruch eines verurteilten Straftäters auf Geldentschädigung wegen einer Presseveröffentlichung über die Straftat.
Normenkette
BGB § 823; GG §§ 1-2; KUG § 22
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 02.03.2006; Aktenzeichen 2-3 O 432/05) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 3. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. vom 2.3.2006 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann eine Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um eine Geldentschädigung wegen einer Presseveröffentlichung.
Die Beklagte verlegt die "X"-Zeitung. Der Kläger war wegen Mordes an seiner Cousine angeklagt. Mit Urteil des LG Koblenz vom (...) wurde er vom Vorwurf des Mordes freigesprochen, zugleich wurde seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Nach den damaligen Feststellungen des LG Koblenz tötete der (...) Kläger seine Cousine ohne feststellbaren Grund durch Ersticken, zerlegte die Leiche an einem unbekannten Ort und erhitzte Teile der Leiche im Backofen seiner Wohnung. Dass der Angeklagte Leichenteile verzehrt hat, konnte ausweislich der Urteilsgründe nicht mit Sicherheit festgestellt werden.
Auf die Revision des Klägers hob der BGH (...) das Urteil des LG Koblenz (...) einschließlich der Feststellungen wegen Mängeln des zugrunde gelegten psychiatrischen Sachverständigengutachtens auf und verwies die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das LG Koblenz zurück. Auf den Beschluss des BGH wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen (Bl. 46 ff. d.A.).
In der Ausgabe vom (...) berichtete die "X"-Zeitung über den Beginn des zweiten Prozesses gegen den Kläger unter der Überschrift "(...)" Wegen der Einzelheiten der X- und Textgestaltung des Artikels wird auf die Anlage 1 zur Klagebegründung verwiesen.
Der Kläger sieht in der Veröffentlichung einen rechtswidrigen Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht. Er meint, es liege keine zulässige Gerichtsberichterstattung vor. Der Vorwurf, er habe Teile der Leiche seiner Cousine verzehrt, sei weder von der Anklage erhoben noch vom Gericht festgestellt worden. In der Auswahl des Fotos, bei dem seine Zunge zwischen den Lippen zu sehen sei, liege eine Erniedrigung seiner Person. Er hat deswegen erstinstanzlich eine Geldentschädigung in einer Größenordnung von 50.000 EUR verlangt.
Das LG hat der Klage i.H.v. 20.000 EUR stattgegeben. Wegen der Begründung, der tatsächlichen Feststellungen und der weitergehenden Einzelheiten des Parteivortrags wird auf sein Urteil vom 2.3.2006 Bezug genommen (Bl. 126 ff. d.A.).
Ergänzend ist festzustellen, dass das LG Koblenz nach Erlass des angefochtenen Urteils mit - nicht rechtskräftigem - Urteil vom 23.6.2006 den Kläger des Mordes für schuldig befunden und seine Unterbringung gem. § 63 StPO in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet hat (Bl. 191 ff. d.A.).
Gegen das ihr am 6.3.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 28.3.2006 Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Fristverlängerung am 6.6.2006 begründet.
Sie meint, die konkrete Abbildung des Klägers sei von dem Berichterstattungsinteresse gedeckt gewesen. Bei der Bewertung des Textes habe das LG übersehen, dass für Schlagzeilen das Gebot der Textinterpretation aus dem Kontext gelte. Die vom LG beanstandete Artikelüberschrift könne daher nicht als selbständige bzw. rechtlich selbständig zu wertende Sachaussage angesehen werden. Die Tendenz des nachfolgenden Artikels sei mit der Schlagzeile korrekt wiedergegeben. Der Stand des Verfahrens und die besondere Problematik des Falles seien in dem angegriffenen Artikel vollkommen zutreffend dargestellt. Insbesondere sei explizit erwähnt, dass der Kläger seine Cousine getötet und Teile der Leiche gegessen haben soll. Unabhängig davon fehle es an einem schweren Verschulden.
Sie, die Beklagte, habe nicht mehr wiedergegeben als die Feststellungen des Urteils des LG Koblenz vom 1.12.2003. Sie habe den Verfahrensstand für ihre Leser übersetzt und berichtet. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Berichterstattung bereits seit mehreren Jahren in einer geschlossenen Anstalt untergebracht gewesen sei und Beeinträchtigungen im täglichen Leben unter diesen Umständen nicht zu gewärtigen seien. Jedenfalls aber sei die zuerkannte Geldentschädigung der Höhe nach bei weitem nicht gerechtfertigt.
Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des am 2.3.2006 verkündeten Urteils des LG Frankfurt/M. die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen,
Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vortrags. Wenn die Beklagte dem komplett aufgehobenen ersten Urteil des LG Koblenz habe folgen wollen, so meint der Kl...