Leitsatz (amtlich)
1. Bei gleichzeitiger Geltendmachung eines Anspruchs auf Zahlung von Werklohn und auf Leistung einer Sicherheit nach § 650f BGB bemisst sich der Streitwert nach der Höhe der Werklohnforderung zuzüglich eines Betrags von 1/3 des Wert der zu sichernden Forderung.
2. Gleiches gilt, wenn neben dem Anspruch auf Zahlung von Werklohn ein Anspruch auf Einräumung einer Sicherungshypothek nach § 650e BGB geltend gemacht wird.
3. Der Streitwert des Anspruchs auf Leistung einer Sicherheit nach § 650f BGB ist mit dem vollen Wert der zu sichernden Forderung anzusetzen.
4. Der Wert einer Klage auf Herausgabe einer Urkunde über eine Gewährleistungsbürgschaft bemisst sich auf 1/4 des Bürgschaftsbetrags, wenn der Besteller mit der Herausgabeklage keine drohende Inanspruchnahme aus der Bürgschaft verhindern will, sondern es ihm allein oder ganz überwiegend darum geht, weitere Bürgschaftskosten zu vermeiden.
Verfahrensgang
LG Hamburg (Aktenzeichen 317 O 34/19) |
Tenor
Der Wert des Berufungsverfahrens wird festgesetzt auf EUR 2.407.765,73.
Der Wert des Vergleichs übersteigt den des Berufungsverfahrens um EUR 430.715,16.
Unter Änderung des Beschlusses des Landgerichts vom 20.06.2019 wird der Streitwert der ersten Instanz festgesetzt auf EUR 2.838.480,89.
Gründe
1. Alleiniger Gegenstand der Berufung gegen das Teilurteil des Landgerichts vom 11.11.2019 war die Verurteilung der Beklagten zur Leistung einer Sicherheit in Höhe von EUR 2.407.765,73. Dieser Betrag entspricht dem Streitwert der zweiten Instanz. Denn gemäß § 6 S. 1 ZPO ist der volle Wert der nach § 648a BGB a. F. zu sichernden Forderung anzusetzen (OLG Stuttgart NJW-RR 2012, 1418; Werner/Pastor-Frechen, Der Bauprozess, 17. Aufl., Rn. 3156; Kniffka-Schmitz, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand 16.02.2021, § 650f, Rn. 39; BeckOGK/Molt, BGB, Stand 01.01.2021, § 650f, Rn. 117).
2. Für den Wert des Vergleichs ist maßgeblich, dass die Parteien sich über alle im Rechtsstreit (erster und zweiter Instanz) geltend gemachten wechselseitigen Ansprüche verglichen haben.
a) Mit dem Antrag zu 1) hat die Klägerin die Zahlung einer restlichen Vergütung von EUR 1.554.236,40 geltend gemacht und mit dem Antrag zu 2) die Leistung einer Sicherheit nach § 648a BGB a. F. in Höhe von EUR 2.407.765,73 verlangt.
Streitig ist, ob in einem solchen Fall die Einzelstreitwerte der beiden Ansprüche zusammenzurechnen sind (OLG Düsseldorf IBR 2013, 1045; Werner/Pastor-Frechen, a.a.O.; Kniffka-Schmitz, a.a.O.; BeckOGK/Molt, a.a.O.) oder ob eine Wertaddition zu unterbleiben hat und nur der höhere der beiden Ansprüche maßgeblich ist (OLG Brandenburg BeckRS 2012, 11578; OLG Stuttgart MDR 2013, 741; Münchener Kommentar-Wöstmann, ZPO, 6. Aufl., § 5, Rn. 4; Musielak/Voit-Heinrich, ZPO, 17. Aufl., § 5, Rn. 8).
Der Senat hat mit Beschluss vom 03.12.2018 - 4 W 141/18 - unter Anschluss an das OLG Hamm (JurBüro 2017, 586) entschieden, dass bei gleichzeitiger Geltendmachung eines Anspruchs auf Zahlung von Werklohn und auf Einräumung einer Sicherungshypothek nach § 648 a BGB a. F. = § 650e BGB n. F. bei der Bemessung des Streitwerts nicht allein auf die Höhe der Werklohnforderung abzustellen ist. Vielmehr ist für den Antrag auf Einräumung einer Sicherungshypothek ein zusätzliches wirtschaftliches Interesse anzunehmen, das mit 1/3 der zugrunde liegenden Werklohnforderung zu bemessen ist. Der Senat hat in der Entscheidung hierzu ausgeführt:
"Zum Teil wird, wie auch vom Landgericht, vertreten, dass die Ansprüche auf Zahlung von Werklohn und Einräumung einer Sicherungshypothek nicht zu addieren seien. Es sei lediglich auf die Höhe der Werklohnforderung abzustellen (vgl. OLG Dresden, Beschluss v. 22.11.2013, 10 W 1107/13; OLG Jena, Beschluss v. 18.02.2010, 5 W 341/09 = NJOZ 2010, 2524; OLG Koblenz, Beschluss v. 12.02.2008, 6 W 1/08; Heinrich in: Musielak/Voit, ZPO, 15. Auflage 2018, § 3 Rn. 23 unter "Bauhandwerkersicherungshypothek"; Herget in: Zöller, ZPO, 32. Auflage 2017, § 3 Rn. 16 unter "Bauhandwerkersicherungshypothek"). Eine Addition sei wegen wirtschaftlicher Identität der Ansprüche verboten (vgl. Onderka in: Schneider/Herget, StreitwertKomm, 14. Auflage 2015, S. 277 Rn. 1508). Das entscheidende Interesse des Klägers bestehe allein im Erhalt des Werklohns (vgl. OLG Dresden, Beschluss v. 22.11.2013, 10 W 1107/13). Die Klage auf Feststellung, dass ein Sicherungsrecht nicht bestehe, verfolge nur den Zweck, zu verhindern, dass sich die Gegenpartei wegen der von ihr geltend gemachten Forderung aus dem Gegenstand befriedigt, an welchem sie sich des Sicherungsrechts berühme (OLG Koblenz, Beschluss v. 12.02.2008, 6 W 1/08). Etwas anderes gelte auch nicht angesichts dessen, dass es sich um rechtlich selbständige Ansprüche handle, über die unterschiedliche Entscheidungen ergehen könnten (OLG Dresden, Beschluss v. 22.11.2013, 10 W 1107/13; OLG Jena, Beschluss v. 18.02.2010, 5 W 341/09 = NJOZ 2010, 2524). Das wirtschaftliche Interesse des Klägers sei nicht höher als der Ausgleich des in voller Höhe angesetzten Ford...