Verfahrensgang
LG Hamburg (Entscheidung vom 13.03.2020; Aktenzeichen 703 Ns 1/19) |
AG Hamburg (Entscheidung vom 23.10.2018; Aktenzeichen 247 Cs 40/18) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten werden das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kleine Strafkammer 3, vom 13.03.2020 (Az.: 703 Ns 1/19) und das Urteil des Amtsgerichts Hamburg, Abteilung 247, vom 23.10.2018 (Az.: 247 Cs 40/18) aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Hamburg zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Hamburg hat mit Urteil vom 23.10.2018 den Einspruch des Angeklagten gegen den - am 08.02.2018 wegen Beleidigung ergangenen - Strafbefehl über eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen verworfen. Der Angeklagte war trotz ordnungsgemäßer Ladung ausgeblieben und hatte sich auch nicht durch einen mit schriftlicher Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten lassen. Die hiergegen frist- und formgerecht eingelegte Berufung wurde in Anwesenheit des Angeklagten mit Urteil vom 13.03.2020 verworfen. Der Angeklagte hat gegen die Entscheidung Revision eingelegt. Er rügt, dass das in der Berufungsinstanz ergangene Verwerfungsurteil den Rechtsbegriff der genügenden Entschuldigung verkannt habe. Eine mit Schriftsatz vom 02.07.2020 zudem erhobene Inbegriffsrüge hat der Angeklagte mit Schriftsatz vom 20.08.2020 zurückgenommen.
Der Angeklagte beantragt die Aufhebung der Verwerfungsurteile und die Zurückverweisung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die Revision als unzulässig oder jedenfalls als unbegründet zu verwerfen (§ 349 Abs. 2 StPO).
II.
Die Revision ist zulässig.
1. Das Vorbringen des Angeklagten ist als Verfahrensrüge auszulegen. Allein mit der Verfahrensrüge kann nach allgemeiner Ansicht überprüft werden, ob das Landgericht rechtsfehlerfrei darauf erkannt hat, dass das Amtsgericht den Einspruch gegen den Strafbefehl zu Recht gemäß §§ 412 S.1, 329 Abs. 1 StPO zu Recht verworfen hat, ob also das Gericht die in Betracht kommenden Entschuldigungsgründe hinreichend aufgeklärt und den Rechtsbegriff der genügenden Entschuldigung fehlerfrei ausgelegt und angewendet hat (vgl. nur Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 329 Rn. 48). Demgegenüber wird auf die Sachrüge nur - hinsichtlich des Umfangs im Einzelnen umstritten - geprüft, ob Verfahrenshindernisse vorliegen. Der Angeklagte hat demgegenüber ausdrücklich gerügt, dass das Landgericht den Rechtsbegriff der genügenden Entschuldigung verkannt habe.
2. Die Verfahrensrüge ist formgerecht erhoben. Der Senat schließt sich der Ansicht an, dass an die Zulässigkeit einer Verfahrensrüge des Angeklagten gegen ein nach §§ 412 S.1, 329 Abs. 1 S. 1 StPO ergangenes Verwerfungsurteil oder ein dies bestätigendes Berufungsurteil grundsätzlich keine strengen Anforderungen zu stellen sind. Wird in der Revisionsbegründung unter Angabe bestimmter Tatsachen ausgeführt, das Gericht habe das Fernbleiben nicht als unentschuldigt ansehen dürfen, bezieht dieser Vortrag den Inhalt des angefochtenen Urteils und dessen Feststellungen zu einem möglichen Entschuldigungsvorbringen unmittelbar in das zu prüfende Revisionsvorbringen mit ein, so dass es ausreicht, wenn die Revision unter Angabe bestimmter Tatsachen ausführt, das Gericht habe den Rechtsbegriff der genügenden Entschuldigung verkannt (OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.10.2009 - 1 Ss 126/08, Rn. 4, NStZ-RR 2010, 287 f., m. w. Nachw.). Diese geringeren Anforderungen ergeben sich aus Folgendem: Jedenfalls bei Verwerfungsurteilen nach § 412 StPO ist der erste Zugang zum Gericht betroffen, was nicht erst bei der Auslegung und Anwendung des Begriffs des Ausbleibens oder der genügenden Entschuldigung von Bedeutung sein kann. Die ansonsten übliche Systematik der Revisionsrügen gerät zudem bei einem "Prozessurteil" an ihre Grenzen, wenn der Inhalt des Urteils nicht auf die Sachrüge, sondern nur auf die - ansonsten allein den Weg zur Entscheidung betreffende - Verfahrensrüge überprüft wird, dennoch aber erst auf die - im Übrigen untunliche - Sachrüge der Inhalt des Urteils einbezogen wird, der sich auf rein prozessuale Fragen beschränkt. Soweit die Generalstaatsanwaltschaft sich insoweit auf ein Urteil des Thüringer Oberlandesgerichts (Urteil vom 03.06.2010 - Ss 242/09) bezieht, ist eine andere Konstellation betroffen. Dort wurde die Revision von der Staatsanwaltschaft mit dem Ziel geführt, ein Verwerfungsurteil nach § 412 StPO zu bestätigen, so dass es dort nicht darum ging, dem Angeklagten eine Entscheidung in der Sache zu ermöglichen. Vielmehr hätte eine Erleichterung der Verfahrensrüge in dieser Konstellation dies zulasten des Angeklagten erschwert, weshalb das Thüringische Oberlandesgericht von einer Absenkung der Anforderungen abgesehen hat. Die in der Entscheidung in Bezug genommene weitere Entscheidung betrifft allein die Verwerfung nach § 329 StPO, also nicht den ersten Zugang zum Gericht.
III.
Die Revision hat auch in der Sache Erfolg. Genügen...