Entscheidungsstichwort (Thema)
Verrechnung der Geschäftsgebühr bei bewilligter Prozesskostenhilfe
Leitsatz (amtlich)
›Der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt kann Zahlungen auf den nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG anzurechnenden Teil der für seine außergerichtliche Tätigkeit entstandenen Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV RVG) zunächst auf die Differenz zwischen Wahlanwaltsvergütung und Prozesskostenhilfevergütung verrechnen. Eine derartige vorrangige Verrechnung wird auch dann vorgenommen, wenn die Geschäftsgebühr noch nicht gezahlt worden ist.‹
Verfahrensgang
AG Itzehoe (Entscheidung vom 11.12.2007; Aktenzeichen 78 F 481/07) |
Gründe
I.
Mit Beschluss vom 13.08.2007 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Itzehoe dem Beklagten Prozesskostenhilfe zur Verteidigung gegen die Klage auf nachehelichen Ehegattenunterhalt bewilligt und den Beschwerdegegner beigeordnet. Im Termin zur mündlichen Verhandlung haben sich die Parteien über Ehegattenunterhaltsansprüche und Kindesunterhaltsansprüche für die beiden gemeinsamen Kinder verglichen. Das Familiengericht hat die Prozesskostenhilfebewilligung auf den Vergleich erstreckt.
Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hatte diesen außergerichtlich vertreten, hierfür jedoch keine Geschäftsgebühr abgerechnet und auch keine Gebühren im Rahmen von Beratungshilfe erhalten. Nach Abschluss des Verfahrens hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten am 21.09.2007 beantragt, seine Vergütung als beigeordneter Rechtsanwalt in Höhe von insgesamt 1.208,56 EUR festzusetzen. Er hat unter anderem beantragt, eine 1,3 Verfahrensgebühr nach dem Gegenstandswert der Hauptsache über 6.852,00 EUR gemäß § Nr. 3100 VV RVG in Verbindung mit § 49 RVG in Höhe von 299,00 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer festzusetzen.
Am 23.10.2007 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Vergütung antragsgemäß festgesetzt. Hiergegen hat die Bezirksrevisorin beim Landgericht Itzehoe am 12.11.2007 Erinnerung eingelegt, soweit eine im vorgerichtlichen Verfahren entstandene Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG nicht zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG angerechnet worden ist. Zur Begründung hat die Bezirksrevisorin ausgeführt, dass sich aus dem zu den Akten gereichten Schriftverkehr ergebe, dass der Prozessbevollmächtigte des Beklagten bereits vorgerichtlich für diesen tätig gewesen sei. Es müsste somit eine Gebühr nach Nr. 2300 VV RVG entstanden sein. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei die Geschäftsgebühr bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen und nicht umgekehrt die Verfahrensgebühr auf die Geschäftsgebühr. Die Vorschrift des § 58 RVG sei nicht anwendbar, da keine Zahlungen geleistet worden seien. Die Sperrwirkung des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO stehe nicht der Anrechnung der Geschäftsgebühr und der Geltendmachung derselben durch den Rechtsanwalt gegenüber dem Mandaten entgegen. Die Sperrwirkung greife nicht für Vergütungsansprüche des Rechtsanwaltes ein, die darauf beruhten, dass er zeitlich außerhalb des Umfangs der Beiordnung auftragsgemäß tätig geworden sei. Die Formulierung nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 VV RVG mache keinen Unterschied, ob es sich um eine nach § 13 Abs. 1 RVG oder § 49 RVG vergütete Verfahrensgebühr handele.
Die Rechtspflegerin hat der Erinnerung nicht abgeholfen.
Mit Beschluss vom 11.12.2007 hat die Familienrichterin die Erinnerung der Landeskasse als unbegründet zurückgewiesen und die Beschwerde gegen die Entscheidung wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen. Zur Begründung führt die Richterin aus, dass die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens nicht nach der Anrechnungsregelung der Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG zu kürzen sei, weil im Prozesskostenhilfeerstattungsverfahren diese Anrechnungsregelung keine Anwendung finde. Die Anwendung der Anrechnungsregelung würde die gerichtliche Vergütungsfestsetzung für den beigeordneten Rechtsanwalt erheblich komplizieren und mit materiellen Rechtsfragen überfrachten. Der Rechtspfleger müsste dann nämlich zunächst Feststellungen treffen, ob und zu welchem Streitwert eine außergerichtliche Geschäftsgebühr bei dem beigeordneten Anwalt überhaupt entstanden sei. Auch sei die ermittelte Geschäftsgebühr zunächst nach § 58 RVG auf mögliche überschießende Wahlanwaltsgebühren und Auslagen zu verrechnen, die ebenfalls zu ermitteln seien. Erst dann könne in die Prüfung eingetreten werden, in welcher Höhe eine Anrechnung auf die angefallene gerichtliche Verfahrensgebühr zu erfolgen habe. Sinn und Zweck der Anrechnungsnormen im RVG sei es, den Mandanten im Verhältnis zu seinem Rechtsanwalt zu privilegieren, indem er die halbe Geschäftsgebühr spare, falls der Rechtsanwalt in gleicher Angelegenheit noch gerichtlich tätig werde. Nicht die gegnerische Partei und ebenso wenig die Landeskasse solle von dieser Vorschrift profitieren.
Gegen die richt...