Orientierungssatz

Orientierungssatz:

Die Verweigerung des Zugangs zu dem Gericht nicht vorliegenden Daten und Unterlagen zum Zwecke der Überprüfung des Ergebnisses der Geschwindigkeitsmessung stellt im Ordnungswidrigkeitserfahren keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör dar.

 

Verfahrensgang

AG Hamburg-Altona (Entscheidung vom 24.09.2020; Aktenzeichen 325 OWi 162/20)

 

Tenor

Der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Altona vom 24. September 2020 wird auf Kosten des Betroffenen verworfen.

 

Gründe

I.

Mit Bußgeldbescheid vom 19. März 2020 hat die Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Inneres und Sport, Einwohner-Zentralamt, gegen den Betroffenen wegen (fahrlässigen) Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften eine Geldbuße von 80 EUR festgesetzt. Auf seinen hiergegen gerichteten Einspruch hat das Amtsgericht Hamburg-Altona gegen ihn mit Urteil vom 24. September 2020 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften "um 21 km/h" ebenfalls eine Geldbuße in Höhe von 80 EUR verhängt. Über seinen Verteidiger hat der Betroffene mit am 1. Oktober 2020 eingegangenem Schreiben Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gestellt.

Nach auf richterliche Verfügung am 10. November 2020 erfolgter Urteilszustellung an den Betroffenen, dessen Verteidiger bis dahin keine lesbare schriftliche Vollmacht zur Akte gereicht hatte, ist am 10. Dezember 2020 eine Begründung der Rechtsbeschwerde zur Akte gelangt, mit der der Betroffene neben der Erhebung der Sachrüge auch beanstandet, dass ihm bestimmte Daten bzw. Unterlagen die im Verfahren erfolgte Geschwindigkeitsmessung betreffende nicht zur Verfügung gestellt worden sind.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat auf kostenpflichtige Verwerfung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde angetragen.

II.

Der nach § 80 Abs. 1 und 2 OWiG statthafte sowie auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene und begründete Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde des Betroffenen bleibt ohne Erfolg. Die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen liegen nicht vor.

1. Nach §§ 79 Abs. 1 Satz 1 und 2, 80 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 OWiG wird in Fällen, in denen gegen den Betroffenen als alleinige Rechtsfolge der Ordnungswidrigkeit eine Geldbuße von nicht mehr als einhundert EUR festgesetzt worden ist, die Rechtsbeschwerde nur zugelassen, wenn die Urteilsnachprüfung zur Fortbildung des Rechts wegen der Anwendung anderer als verfahrensrechtlicher Normen geboten ist, oder wenn eine Versagung des rechtlichen Gehörs die Aufhebung des Urteils gebietet.

2. Zur Fortbildung des materiellen Rechts ist vorliegend die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht geboten. Entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige sowie abstraktionsfähige Rechtsfragen, die eine Urteilsüberprüfung zur Fortbildung des materiellen Rechts geboten erscheinen lassen (vgl. zum Ganzen: Göhler-Seitz/Bauer § 80 Rn. 3 m.w.N.), werden in der angefochtenen Entscheidung nicht aufgeworfen und im Übrigen auch mit der Rechtsbeschwerdebegründung nicht aufgezeigt.

Soweit mit der Rechtsbeschwerde außerdem geltend gemacht wird, dem Betroffenen sei der Zugang zu Daten und Unterlagen nicht gewährt worden, die zu einer Überprüfung der Geschwindigkeitsmessung vom 29. Januar 2020 hätten dienen können, handelt es sich um eine Verfahrensbeanstandung - namentlich kommt ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens in Betracht (vgl. BVerfG Beschl. v. 12. November 2020, Az.: 2 BvR 1616/18 (juris)) -, die im Hinblick auf die Frage etwaig bestehenden Rechtsfortbildungsbedarfs nach § 80 Abs. 2 OWiG außer Acht zu bleiben hat.

3. Die Aufhebung des Urteils ist auch nicht wegen Versagung des rechtlichen Gehörs i. S. d. § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG geboten.

a) Eine - in der Rechtsbeschwerdeinstanz mit der Verfahrensrüge geltend zu machende (vgl. Göhler-Seitz/Bauer § 80 Rn. 16a) - Versagung rechtlichen Gehörs im Sinne des § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG ist nach den für die Auslegung des Art. 103 Abs. 1 GG maßgebenden Grundsätzen zu bestimmen (vgl. nur Seitz/Bauer aaO. m.w.N.). Der Anspruch ist insbesondere verletzt, wenn ein Gericht in entscheidungserheblicher Weise Tatsachen und Beweisergebnisse zum Nachteil eines Beteiligten verwertet hat, zu denen dieser nicht gehört worden ist (Seitz/Bauer aaO. m.w.N.; vgl. auch KK-StPO/Maul § 33a Rn. 3). Daneben umfasst der Anspruch das Recht, Kenntnis von Anträgen und Rechtsausführungen anderer Verfahrensbeteiligter zu erhalten, sich hierzu äußern und das eigene Prozessverhalten darauf einstellen zu können (LR/Graalmann-Scheerer § 33a Rn. 3 m.w.N.; Meyer-Goßner/Schmitt § 33a Rn. 1). Außerdem verpflichtet Art. 103 Abs. 1 GG das Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. nur BVerfG Beschl. v. 10. Februar 2020, Az.: 2 BvR 336/19 m. zahlr. Nachw. (juris)).

Vor diesem Hintergrund kann der Anspruch auf rechtliches Gehör unter...

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