Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für die Beiordnung eines Rechtsanwalts in Umgangsrechtsverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Indem das Gesetz in § 78 Abs. 2 FamFG auf die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage abstellt, zwingt es dazu, zwischen schwierigen und einfachen Fällen zu unterscheiden.
2. Die Feststellung, ob die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint, weil die Sach- und Rechtslage schwierig ist, lässt sich nicht generell, sondern nur nach Abwägung im Einzelfall treffen, wobei eine Prognose ausreicht und ein objektiver Maßstab anzulegen ist.
Normenkette
FamFG § 78 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Hamburg-Altona (Beschluss vom 11.03.2010; Aktenzeichen 350 F 40/10) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Familiengerichts Hamburg-Altona, Abt. 350, vom 11.3.2010 (Az. 350 F 40/10 VKH) wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde (§§ 76 Abs. 2 FamFG, §§ 567 - 572 ZPO) hat in der Sache keinen Erfolg.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Familiengericht es abgelehnt, der Beteiligten zu 2) Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin ... zu bewilligen.
Für die Beteiligten in Sorge- und Umgangsverfahren besteht nach § 114 Abs. 1 FamFG kein Anwaltszwang. Wenn aber eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben ist, wird gem. § 78 Abs. 2 FamFG dem Beteiligten auf seinen Antrag ein Rechtsanwalt seiner Wahl nur dann beigeordnet, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen durch diese neue Vorschrift mit Einführung des FamFG die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Rechtsanwalts enger gefasst, die Anforderungen also erhöht werden (BT-Drucks. 16/6308, S. 214; OLG Düsseldorf FamRZ 2010, 580 = FGPrax 2010, 55).
Indem das Gesetz auf die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage abstellt, zwingt es dazu, zwischen schwierigen und einfachen Fällen zu unterscheiden. Die Feststellung, ob die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint, weil die Sach- oder Rechtslage schwierig ist, lässt sich nicht generell, sondern nur nach einer Abwägung im Einzelfall treffen, wobei eine Prognose ausreicht und ein objektiver Maßstab anzulegen ist, d.h. aus der Perspektive eines juristischen Laien, der ohne besondere Vorkenntnisse um Rechtsschutz nachsucht und sich unter Umständen nach Trennung oder Scheidung in einer schwierigen Lebensphase befindet (vgl. zu allem OLG Düsseldorf FamRZ 2010, 580 = FGPrax 2010, 53; OLG Düsseldorf FamRB 2010, 42).
Geht man mit dem BVerfG davon aus, dass die Prozesskostenhilfe - und somit auch die Verfahrenskostenhilfe nach dem neuen FamFG - i.S.v. Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG eine weitgehende Angleichung der Situation von bemittelten und unbemittelten Parteien bei der Verwirklichung des Rechtschutzes gewährleisten muss, ist entscheidend, ob ein Bemittelter in der Lage eines Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte (BVerfG, Kammerbeschluss v. 22.6.2007 - 1 BvR 681/07, Kammerbeschluss vom 6.5.2009 - BvR 439/08, zitiert nach juris).
Dabei mag offen bleiben, ob im Rahmen dieser Prüfung auch auf subjektive Kriterien (wie etwa gesundheitliche Beeinträchtigungen oder Ungewandtheit in rechtlichen Dingen) abzustellen ist (so BGH FamRZ 2009, 857 zum alten FGG, jetzt z.B. OLG Celle FamRB 2010, 44). Denn solche spezifischen, in der Person der Beteiligten zu 2) liegenden Erschwernisse hat sie selbst nicht vorgetragen und das Familiengericht hat ausdrücklich aufgrund eigenen Erlebens während der mündlichen Verhandlung im einstweiligen Anordnungsverfahren festgestellt, dass die Beteiligte zu 2) subjektiv in der Lage sei, ihren Standpunkt ohne Probleme zu artikulieren und sachgerecht zu vertreten. Der Vortrag der Beteiligten zu 2) in der Beschwerdeschrift gibt keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Feststellung zu zweifeln. Die dort angeführten seelischen Belastungen und Befürchtungen, resultierend aus einem angeblich problematischen Verhalten des Beteiligten zu 3) (Ressentiments der Beteiligten zu 2) ggü. dem Beteiligten zu 3) wegen Anbrüllens oder Drohungen, Verunsicherung über eine womöglich falsche eidesstattliche Versicherung des Beteiligten zu 3), Sorgen um die seelische Verfassung der Tochter nach Kontakten mit dem Vater) liegen sämtlich im psychischen Bereich und legen nahe, dass die Beteiligte zu 2) hauptsächlich einen seelischen Beistand und gegebenenfalls eine Erziehungsberatung oder therapeutische Begleitung für die Tochter benötigte. Verfahrenskostenhilfe dient nicht dazu, eine als unzulänglich empfundene Beratung durch den ASD, die Familienhilfe und die Alleinerziehenden-Beratung - welche die Beteiligte nach ihrem eigenen Vortrag bereits aufgesucht hatte - durch Rechtanwälte zu ergänzen oder zu ersetzen.
Schwierigkeiten ...