Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrenskostenhilfe: Kriterien zur Beurteilung der Erforderlichkeit einer Wahlanwaltsbeiordnung. einzelfallbezogene Prüfung
Leitsatz (amtlich)
Die Erforderlichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwaltes nach § 78 Abs. 2 FamFG beurteilt sich nach objektiven und subjektiven Kriterien, die jeweils im Einzelfall zu prüfen sind. Auch in Sorgerechtsstreitigkeiten begründet der Umstand allein, dass die Eltern sich über den Lebensmittelpunkt des Kindes nicht einig sind, keine Notwendigkeit der Beiordnung eines Rechtsanwaltes.
Normenkette
FamFG § 78 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Hamburg-Altona (Beschluss vom 28.10.2010; Aktenzeichen 352 F 315/10) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 3. (Kindesvaters) gegen den Beschluss des AG Hamburg-Altona vom 28.10.2010 (Az.: 352 F 315/10) wird zurückgewiesen.
Gründe
Das fristgerecht eingelegte Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
1. Der im Verfahren anwaltlich nicht vertretene Vater hat im September 2010 die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes für seinen Sohn auf sich allein und hierfür Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung seiner Verfahrensbevollmächtigten beantragt. Im Anhörungstermin vom 28.10.2010 haben die Eltern vor dem Familiengericht unter Mitwirkung ihrer jeweiligen Verfahrensbevollmächtigten eine Zwischenvereinbarung über den Umgang getroffen. Mit Beschluss vom 28.10.2010 hat das Familiengericht den Eltern antragsgemäß Verfahrenskostenhilfe ohne Zahlungsverpflichtung bewilligt, ihre jeweiligen Anträge auf Beiordnung der Verfahrensbevollmächtigten jedoch zurückgewiesen. Gegen den am 11.11.2010 an seine Verfahrensbevollmächtigte zugestellten Beschluss hat der Kindesvater am 8.12.2010 Beschwerde eingelegt, der das Familiengericht nicht abgeholfen hat.
2. Gemäß Art. 111 FGG-RG richtet sich die vorliegende Entscheidung nach dem FamFG, weil das Verfahren nach dem 1.9.2009 eingeleitet worden ist.
3. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Familiengericht im Rahmen der bewilligten Verfahrenskostenhilfe die Beiordnung der Verfahrensbevollmächtigten des Kindesvaters, des Beteiligten zu 3., abgelehnt.
Die Voraussetzungen der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen einer bewilligten Verfahrenskostenhilfe sind in § 78 FamFG geregelt. Die Vorschrift unterscheidet ausdrücklich zwischen Verfahren mit Anwaltszwang (§ 78 Abs. 1 FamFG) und Verfahren, in denen eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben ist (§ 78 Abs. 2 FamFG). Ist eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben, wird dem Beteiligten auf seinen Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl nach § 78 Abs. 2 FamFG nur dann beigeordnet, "wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint". Für die regelmäßig nicht streng kontradiktorisch geprägten Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit hat die Vorschrift die Regelung in § 121 Abs. 2 Alt. 2 ZPO, wonach in Zivilsachen die Beiordnung eines Anwalts geboten ist, wenn auch ein anderer Beteiligter anwaltlich vertreten ist, dabei ausdrücklich nicht übernommen (BT-Drucks. 16/6308, 214).
4. Zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Beiordnung geboten ist, hat sich sowohl das BVerfG als auch der BGH, zuletzt ausführlich in seiner Entscheidung vom 23.06. 2010 geäußert zu einem Umgangsrechtsverfahren (BGH, Beschl. v. 23.06. 2010, XII ZB 232/09, zitiert nach JURIS) geäußert.
Nach der Rechtsprechung des BVerfG (Kammerbeschluss v. 22.6.2007 - 1 BvR 681/07 - und Kammerbeschluss v. 6.5.2009 - 1 BvR 439/08) ist hinsichtlich der Erforderlichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts eine pauschale Berufung auf den Amtsermittlungsgrundsatz (im FamFG: § 26) nicht ausreichend. Entscheidend sei vielmehr der Umfang und die Schwierigkeit der Sache sowie die Fähigkeit der Beteiligten, sich mündlich und schriftlich auszudrücken. Abzustellen sei darauf, ob ein Bemittelter in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte. Davon sei regelmäßig dann auszugehen, wenn im Kenntnisstand und in den Fähigkeiten der Prozessparteien ein deutliches Ungleichgewicht bestehe (so auch OLG Hamburg - 12 WF 254/09 - veröffentlich bei JURIS; OLG Hamburg - 10 WF 91/09 - veröffentlicht bei JURIS; KG - 19 WF 136/09 - veröffentlicht bei JURIS).
Der BGH hat sich in der zitierten Entscheidung vom 23.6.2010 ausdrücklich der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur (OLG Bremen - 4 WF 47/10 - veröffentlicht bei JURIS; OLG Hamburg - 10 WF 91/09 - veröffentlicht bei JURIS; OLG Hamburg - 12 WF 254/09 - veröffentlicht bei JURIS; OLG Zweibrücken NJW 2010, 1212, 1213; OLG Celle FamRZ 2010, 582; OLG Zweibrücken FamRZ 2010, 579, 580; Bahrenfuss/Wittenstein FamFG § 78 Rz. 5 f.; Keidel/Zimmermann FamFG § 78 Rz. 4; FamVerf/Gutjahr 2. Aufl., § 2 Rz. 72 ff.; Musielak/Borth FamFG § 78 Rz. 4) angeschlossen und beurteilt danach die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage i.S.v. § 78 Abs. 2 FamFG nicht...