Leitsatz
Das OLG Hamburg hat sich in dieser Entscheidung mit den objektiven und subjektiven Kriterien nach § 78 Abs. 2 FamFG bei der Prüfung der Erforderlichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts auseinandergesetzt.
Sachverhalt
Der im Verfahren anwaltlich nicht vertretene Vater hatte im September 2010 die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für seinen Sohn auf sich allein und hierfür Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung seiner Verfahrensbevollmächtigten beantragt.
Im Anhörungstermin vor dem Familiengericht haben die Eltern unter Mitwirkung ihrer jeweiligen Verfahrensbevollmächtigten eine Zwischenvereinbarung über den Umgang getroffen. Am gleichen Tage hat das Familiengericht den Eltern antragsgemäß Verfahrenskostenhilfe ohne Zahlungsverpflichtung bewilligt, ihre jeweiligen Anträge auf Beiordnung der Verfahrensbevollmächtigten jedoch zurückgewiesen.
Hiergegen wandte sich der Vater mit seiner Beschwerde, der das Familiengericht nicht abgeholfen hat.
Auch beim OLG hatte das Rechtsmittel keinen Erfolg.
Entscheidung
Das OLG kam zu dem Ergebnis, das Familiengericht habe zu Recht und mit zutreffender Begründung die Beiordnung der Verfahrensbevollmächtigten des Kindesvaters abgelehnt.
Zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Beiordnung geboten sei, habe sich sowohl das BVerfG als auch der BGH geäußert (BGH, Beschl. v. 23.06.2010, XII ZB 232/09).
Nach der Rechtsprechung des BVerfG (Kammerbeschluss v. 22.6.2007 - 1 BvR 681/07 - und Kammerbeschluss v. 6.5.2009 - 1 BvR 439/08) sei hinsichtlich der Erforderlichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts eine pauschale Berufung auf den Amtsermittlungsgrundsatz nicht ausreichend. Entscheidend sei vielmehr der Umfang und die Schwierigkeit der Sache sowie die Fähigkeit der Beteiligten, sich mündlich und schriftlich auszudrücken. Abzustellen sei darauf, ob ein Bemittelter in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte. Davon sei regelmäßig dann auszugehen, wenn im Kenntnisstand und in den Fähigkeiten der Prozessparteien ein deutliches Ungleichgewicht bestehe.
Der BGH habe sich in seiner Entscheidung vom 23.6.2010 ausdrücklich der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur angeschlossen und beurteile danach die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage i.S.v. § 78 Abs. 2 FamFG nicht allein nach objektiven Kriterien, sondern berücksichtige daneben auch subjektive Umstände wie etwa die Fähigkeit der Beteiligten, sich mündlich und schriftlich auszudrücken.
Die dargestellten Grundsätze habe das FamG voll umfänglich beachtet. Eine anwaltliche Vertretung des Kindesvaters sei vorliegend nicht geboten gewesen. Aus objektiver Sicht sei die Sach- und Rechtslage nicht schwierig gelagert. Die Eltern seien sich nach Aktenlage darüber einig, dass das Kind zu beiden Elternteilen ausführliche Kontakte und Bindungen haben solle und hätten eine Zwischenvereinbarung über den Umgang geschlossen.
Sie stritten darüber, wo das Kind den Lebensmittelpunkt haben solle und könnten derzeit schlecht miteinander kommunizieren. Worauf das Familiengericht bereits zutreffend hingewiesen habe, stellten die Probleme direkter Kommunikation und der unterschiedlichen Vorstellungen der Eltern über Belange ihres Kindes den Regelfall der Sorgerechtsverfahren nach § 1671 Abs. 1 BGB dar, für die der Gesetzgeber bewusst keinen grundsätzlichen Anwaltszwang vorgesehen habe.
Auch subjektive Umstände für die Erforderlichkeit einer Beiordnung im Rahmen der bewilligten Verfahrenskostenhilfe lägen nicht vor. Das Familiengericht habe bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass der Kindesvater durch die vorgelegte Korrespondenz und seinen Eindruck in der mündlichen Anhörung durchaus den Eindruck erweckt habe, in der Lage zu sein, sich schriftlich und mündlich auszudrücken.
Link zur Entscheidung
OLG Hamburg, Beschluss vom 27.12.2010, 10 WF 148/10