Entscheidungsstichwort (Thema)
Entscheidungstitel "Neue Verfahrensgebühr für die Berufungsinstanz nach Zurückverweisung durch den BGH"
Leitsatz (amtlich)
Für die Zweijahresfrist gem. § 15 Abs. 5 S. 2 RVG, nach deren Ablauf im Falle der Zurückverweisung eines Rechtsstreits an das Berufungsgericht die Verfahrensgebühr neu entstehen kann, kommt es nicht auf die Verkündung des Revisionsurteils an, sondern auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme des Rechtsanwalts von der Zurückverweisung.
Normenkette
RVG § 15 Abs. 5 S. 2, § 21; RVG-VV Vorbem. 3 Abs. 6
Verfahrensgang
LG Hamburg (Beschluss vom 27.06.2013; Aktenzeichen 318 O 266/07) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Hamburg vom 27.6.2013, AZ 318 O 266/07, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die von der Beklagten an die Klägerin nach dem vorläufig vollstreckbaren Urteil des Hanseatischen OLG vom 11.12.2013 zu erstattenden Kosten werden auf EUR 24.894,80 nebst Zinsen von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.3.2013 festgesetzt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte nach einem Beschwerdewert vonEUR 4.227,20.
Gründe
Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
Die bis zum Urteil des Hanseatischen OLG vom 21.7.2009 entstandene Verfahrensgebühr i.H.v.EUR 4.227,20 ist nicht nach Vorbemerkung 3 Abs. 6 RVG-VV auf die nach der Zurückverweisung durch den BGH entstandene Verfahrensgebühr für das erneute Verfahren anzurechnen. Die in dieser Vorschrift bestimmte Anrechnung der Verfahrensgebühr ist nach § 15 Abs. 2 S. 2 RVG ausgeschlossen. Danach entfällt die Anrechnung und gilt die weitere Tätigkeit als neue Angelegenheit, wenn der frühere Auftrag seit mehr als zwei Jahren erledigt ist. Das ist hier der Fall.
In Rechtsprechung und Literatur besteht uneingeschränkte Einigkeit dahingehend, dass § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG auch bei einer Zurückverweisung gem. § 21 RVG eingreift (OLGReport Köln 2009, 601f - Rz. 6 = BeckRS 2009, 15802 OLGReport München 2006, 681f - Rz. 4; OLGReport Düsseldorf 2009, 455f - Rz. 4).
Für die Frage des Fristablaufs kommt es entgegen der Ansicht der Beklagten des LG nicht auf den Zeitpunkt der Urteilsverkündung am 8.12.2011 an, wodurch der Rechtstreit unmittelbar wieder beim OLG anhängig geworden ist. Vielmehr ist auf den Zeitpunkt der Entgegennahme der Information des Rechtsanwalts für das weitere Tätigwerden abzustellen (so ausdrücklich OLGReport Köln 2009, 601f - Rz. 6 = BeckRS 2009, 15802 [Fundstelle der Beklagten!]), bzw. auf den Zeitpunkt des Ansinnens, in derselben Angelegenheit erneut oder weiter tätig zu werden (so Gerold/Schmidt-Mayer, RVG, 21. Aufl., § 15 Rz. 125), Dafür spricht zum einen der Wortlaut des § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG. Er stellt auf die weitere Tätigkeit ab (auf die Aufnahme der weiteren anwaltlichen Tätigkeit stellt im Übrigen der von der Beklagten zitierte Beschluss des FG Baden-Württemberg vom 10.3.2011, Rz. 52, ab). Eine weitere Tätigkeit setzt notwendigerweise zunächst eine Kenntnis von der Zurückverweisung voraus. Zum anderen und insbesondere spricht für die Maßgeblichkeit des Zeitpunktes der Kenntnisnahme von der Zurückverweisung der Sinn und Zweck dieser Bestimmung. Mit ihr soll nach der Gesetzesbegründung dem Umstand Rechnung getragen werden, dass ein Rechtsanwalt, der eine längere Zeit mit der Sache nicht befasst war, sich in diese erneut einarbeiten muss (BGH NJW 2006, 861f - Rz. 8; OLG München, a.a.O., Rz. 7). Eine erneute Befassung bzw. eine erneute Einarbeitung kann aber erst dann erfolgen, wenn von der Zurückverweisung Kenntnis genommen werden konnte.
Diese Kenntnis bestand im vorliegenden Fall ausweislich des in der Akte befindlichen Empfangsbekenntnisses (Bl. 318) erst mit der Zustellung des BGH-Urteils am 11.1.2012. Das war zwei Kalenderjahre nach Erledigung des Auftrags. Diese war unstreitig am 31.12.2009.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
JurBüro 2014, 412 |
MDR 2014, 808 |
ZfS 2014, 410 |
AGS 2014, 267 |
NJW-Spezial 2014, 412 |
RVGreport 2014, 265 |
NJOZ 2014, 1037 |