Orientierungssatz
Orientierungssatz:
Der zulässige Zeitraum der Inhaftierung nach § 230 StPO darf angesichts des Zwecks der Vorschrift je nach den Umständen des Einzelfalles die Dauer von einer Woche jedenfalls nicht deutlich übersteigen.
Die Aussetzung des Vollzuges eines Haftbefehls nach § 230 StPO darf keineswegs Mittel zum Zweck sein, dem Gericht unter Umkehrung der vom Gesetz bezweckten milderen Eingriffsintensität längere Zeit für die erneute Anberaumung eines Hauptverhandlungstermins zu verschaffen und so auf den Angeklagten belastendere Auswirkungen zu entfalten als eine zulässig nur wenige Tage vollzogene Sicherungshaft.
Verfahrensgang
AG Hamburg (Entscheidung vom 18.02.2020; Aktenzeichen 259 Ds 117/19) |
Tenor
1. Auf die weitere Beschwerde des Angeklagten wird der Haftbefehl des Amtsgerichts Hamburg vom 18. Februar 2020 - Aktenzeichen 259 Ds 117/19 - aufgehoben.
2. Der aufgrund des Haftverschonungsbeschlusses des Amtsgerichts Hamburg vom 18. Februar 2020 unter der Geschäftsnummer 57 H L 166/20 bei der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts Hamburg als Sicherheitsleistung hinterlegte Betrag in Höhe von 100.000,- Euro wird freigegeben.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Gründe
(nachträglich abgesetzt wegen Eilbedürftigkeit der Umsetzung der Beschlussformel)
I.
Die Staatsanwaltschaft Hamburg legt dem Beschwerdeführer mit zum Amtsgericht Hamburg erhobener und zur Hauptverhandlung vor dem Strafrichter zugelassener Anklageschrift vom 9. August 2019 zur Last, am 11. April 2018 jeweils unerlaubt Betäubungsmittel besessen zu haben und mit explosionsgefährlichen Stoffen umgegangen zu sein sowie in der Nacht vom 31. Dezember 2018 auf den 1. Januar 2019 durch Abfeuern einer Schreckschuss- und Signalpistole gegen das Waffengesetz verstoßen zu haben.
Das Amtsgericht hat unter dem 22. Januar 2020 Termin zur Hauptverhandlung auf den 18. Februar 2020, 9.15 Uhr, anberaumt und den Angeklagten unter zwei bekannten Wohnanschriften zu diesem Termin geladen. Unter der Zustellanschrift ......in Halstenbek ist dem Angeklagten die Ladung zum Termin am 25. Januar 2020 durch die Zustellerin persönlich übergeben worden. An der Anschrift .....in Hamburg ist die Ladung am gleichen Tage in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten eingelegt worden.
Zum Termin am 18. Februar 2020 um 9.15 Uhr ist der Angeklagte bis 9.30 Uhr nicht erschienen, woraufhin der Vorsitzende gegenüber den für die beiden bekannten Wohnanschriften zuständigen Polizeidienststellen jeweils die (sofortige) Vorführung des Angeklagten zur Hauptverhandlung angeordnet hat. Der Angeklagte konnte jedoch unter beiden Anschriften nicht angetroffen worden. Um 10.47 Uhr hat das Amtsgericht daraufhin auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Hauptverhandlung ausgesetzt und zugleich gegen den Angeklagten einen auf § 230 Absatz 2 StPO gestützten Haftbefehl erlassen.
Um 12.10 Uhr ist der in der Zwischenzeit von seiner Lebensgefährtin über das Erscheinen der Polizei an der Wohnanschrift in Halstenbek informierte und in der Zeit nach 10.47 Uhr nach Rücksprache mit der Polizei bei Gericht erschienene Angeklagte im Gerichtsgebäude verhaftet worden. Nach Bekanntmachung des Haftbefehls hat das Amtsgericht noch am 18. Februar 2020 den Vollzug des Haftbefehls ausgesetzt, die Leistung einer Sicherheit in Höhe von 100.000,- Euro angeordnet und dem Angeklagten die Anweisung erteilt, sich jeweils montags, mittwochs und freitags bei dem Polizeikommissariat 14 in Hamburg zu melden. Am 19. Februar 2020 ist der Angeklagte nach Hinterlegung der Sicherheitsleistung aus der Haft entlassen worden.
Unter dem 16. April 2020 hat das Amtsgericht neuen Termin zur Hauptverhandlung auf den 23. Juni 2020 mit Fortsetzungsterminen am 30. Juni 2020 und am 7. Juli 2020 anberaumt.
Die gegen den Haftbefehl gerichtete Beschwerde des Angeklagten hat das Landgericht Hamburg, Große Strafkammer 4, mit Beschluss vom 8. April 2020 mit der Maßgabe verworfen, dass die Meldeauflage aus dem Verschonungsbeschluss entfällt.
Gegen diesen Beschluss des Landgerichts wendet sich der Angeklagte mit seiner weiteren Beschwerde mit dem Antrag, den Haftbefehl aufzuheben. Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Verwerfung der weiteren Beschwerde des Angeklagten beantragt.
II.
Die zulässige weitere Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
1. Gegen den landgerichtlichen Beschluss über die Aufrechterhaltung des außer Vollzug gesetzten Haftbefehls ist die weitere Beschwerde statthaft und auch im Übrigen zulässig erhoben. Beschlüsse, die von dem Landgericht erlassen worden sind, können gemäß § 310 Absatz 1 Nr. 1 StPO mit der weiteren Beschwerde angefochten werden, wenn sie eine Verhaftung betreffen. Diese Voraussetzungen sind auch dann gegeben, wenn es wie hier um den Erlass oder Fortbestand eines Haftbefehls geht, der gegenwärtig nicht vollzogen wird (HansOLG, StV 1994, 323; KK-StPO/Zabeck, § 310 Rn. 10; LR/Matt, § 310 ...