Leitsatz (amtlich)

Die nach dem Zweiten Weltkrieg neugegründeten Einzelorganisationen des Deutschen Roten Kreuzes genießen Kostenfreiheit vor Gerichten in Hamburg nach § 2 GKG.

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Beschluss vom 24.07.2006; Aktenzeichen 315 O 301/05)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des LG Hamburg, Zivilkammer 15, vom 24.7.2006 abgeändert:

Die Kostenrechnung vom 9.6.2006 zum Kassenzeichen 2505020190464 wird aufgehoben.

 

Gründe

Die Frage, ob das Deutsche Rote Kreuz e.V. Kostenbefreiung genießt, ist umstritten. Es wird dies angenommen von Hartmann, Kostengesetze, 34. Aufl. 2004, § 2 GKG, Rz. 13, und von OLG Koblenz v. 14.12.1989 - 14 W 814/89, Rpfl. 1990, 271, verneint von BauObLG Rpfl. 1958, 357; OLG Koblenz Rpfl. 1995, 650; OLG München v. 30.9.1997 - 11 W 2536/97, MDR 1998, 184 = OLGReport München 1998, 283. Der Einzelrichter des erkennenden Senats ist dieser letzteren Auffassung in seinem Beschluss vom 21.6.2006 (OLG Hamburg v. 21.6.2006 - 8 W 101/06, OLGReport Hamburg 2006, 610) gefolgt.

Nach erneuter Befassung entscheidet der Senat, dem der Einzelrichter die Sache nach § 66 Abs. 6 S. 2 GKG übertragen hat, im Sinne der Gebührenfreiheit des Deutschen Roten Kreuzes.

§ 18 des Gesetzes über das Deutsche Rote Kreuz vom 9.12.1937, RGBl. I, S. 1330, der die Gebührenfreiheit des (damaligen) Deutschen Roten Kreuzes anordnete, ist nie aufgehoben worden, sondern wurde im Gegenteil in die Sammlung des Bundesrechts aufgenommen. § 2 GKG sieht Gebührenbefreiung für das Deutsche Rote Kreuz zwar nicht in seinem Abs. 1 vor, lässt aber andererseits in seinem Abs. 3 anderweitige bundesrechtliche Gebührenbefreiungen ausdrücklich unberührt.

Dass das damalige Deutsche Rote Kreuz von den Alliierten aufgelöst wurde, hat das entsprechende Gesetz als solches nicht außer Kraft treten lassen.

Dieses Gesetz spricht das Deutsche Rote Kreuz nicht als nationalsozialistische Organisation an, auch wenn es dazu offenbar faktisch geworden ist, sondern betont seine gemeinnützigen und mildtätigen Zwecke (§ 2) sowie seine Einbindung in die internationale Organisation des Roten Kreuzes (§ 3). Beides gilt auch für das jetzige Rote Kreuz e.V., das als Nachfolgeorganisation jedenfalls jenes Roten Kreuzes verstanden werden kann, das die Nationalsozialisten vorgefunden haben. Angesichts dessen trägt der besetzte Senat keine Bedenken, die Bestimmung über die Gebührenfreiheit entsprechend auf das heutige Deutsche Rote Kreuz e.V. anzuwenden.

Tragendes Argument der Gegenmeinung ist der Umstand, dass landesrechtlich weder in Bayern und Rheinland-Pfalz noch eben in Hamburg eine Gebührenbefreiung vorgesehen ist. Daraus ist indessen nichts zu folgern. Es mag dahinstehen, ob das überhaupt Aussagekraft hat, also in Bezug auf das Deutsche Rote Kreuz e.V. ein beredtes Schweigen vorliegt und man die Frage dieser Organisation nicht schon bundesrechtlich geregelt angesehen hat. Selbst wenn die Landesgesetzgeber Gebührenfreiheit bewusst versagen wollten, wäre das unerheblich wegen des Vorrangs des Bundesrechts nach Art. 31 GG. Bundesrecht im Sinne dieser Bestimmung ist nicht nur jenes Recht, das in gesetzliche Bestimmungen gefasst ist, sondern auch jenes Recht, das sich aus der analogen Anwendung bundesgesetzlicher Normen ergibt.

Bei alledem folgt der Senat dem allgemeinen Auslegungsgrundsatz, dass gesetzliche Bestimmungen so auszulegen und anzuwenden sind, dass sich überhaupt ein Anwendungsbereich ergibt. Würde man tragend auf die Nichtidentität des Deutschen Roten Kreuzes von 1937 und des Deutschen Roten Kreuzes 2006 abstellen, würde § 18 des genannten Gesetzes leer laufen.

Eine Kostenentscheidung erübrigt sich wegen § 66 Abs. 8 GKG.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde schließt § 66 Abs. 3 S. 3 GKG aus.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1612301

NJW-RR 2007, 1655

OLGR-Nord 2006, 849

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