Entscheidungsstichwort (Thema)
Bei Vorliegen ausreichender Anhaltspunkte für versuchten Versicherungsbetrug sind Kosten eines Privatgutachtens (hier: Aufwendungen telefonische Nachforschungen einer Detektei) notwendige und daher festsetzungsfähige Prozesskosten nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO
Normenkette
RVG-VV Nr. 7000 Nr. 1 Buchst. b, c
Verfahrensgang
LG Hamburg (Beschluss vom 08.03.2011) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin und unter Zurückweisung ihres weitergehenden Rechtsmittels wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Hamburg, Zivilkammer 31, vom 8.3.2011 geändert:
Die von der Klägerin an die Beklagte nach dem Beschluss des LG vom 24.1.2011 zu erstattenden Kosten werden festgesetzt auf EUR 2.414,20
nebst einer Verzinsung von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.1.2011.
Der weitergehende Antrag der Beklagten auf Kostenfestsetzung wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Beschwerdewert i.H.v. EUR 1.908,74.
Gründe
Die nach §§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist nur in geringem Umfang begründet.
1. Das LG hat die von der Beklagten angemeldeten Kosten für die Anfertigung von insgesamt 308 Kopien i.H.v. insgesamt EUR 75,80 einschließlich Mehrwertsteuer als erstattungsfähig angesehen. Das Rechtsmittel der Klägerin hat insoweit überwiegend Erfolg.
Die Anfertigung der 126 Kopien von den Anlagen zum Schriftsatz der Beklagten vom 21.10.2010 für die Handakte des Prozessbevollmächtigten der Beklagten ist nicht erstattungsfähig. Sie fällt weder unter Nr. 7000 Ziff. 1c) RVG-VV (vgl. Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, RVG, 19. Aufl., VV 7000 Rz. 71) noch - entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung - unter Nr. 7000 Ziff. 1d) RVG-VV. Die Beklagte behauptet dazu, ihr Prozessbevollmächtigter habe entsprechend dem Inhalt der Bestimmung der Nr. 7000 Ziff. 1d) RVG-VV mit ihr eine Vereinbarung getroffen, wonach diese Kopien in ihrem Einverständnis angefertigt worden seien. Bei unterstellter Richtigkeit dieser, von der Klägerin bestrittenen, Behauptung würde sich insoweit zwar ein Anspruch des Prozessbevollmächtigten der Beklagten auf Ersatz dieser Auslagen nach Nr. 7000 Ziff. 1d) RVG-VV gegen seine Mandantin, die Beklagte, ergeben. Dadurch erwächst der Beklagten jedoch kein Kostenerstattungsanspruch gegen die Klägerin, da eine Notwendigkeit dieser Kosten nicht festgestellt werden kann (vgl. dazu auch Zöller/Herget, ZPO, 28. Aufl., § 91 Rz. 13 "Ablichtungen, Abschriften, Ausdrucke").
Die Erstattung der Kosten für die Anfertigung der beglaubigten und einfachen Abschriften von Schriftsätzen der Beklagten für die Klägerin nebst Anlagen richtet sich nach Nr. 7000 Ziff. 1b) RVG-VV. Die Beklagte hat insoweit 182 Kopien erstellt. Soweit hierin als Anlage B 11 eine Entscheidung des Hanseatischen OLG mit einem Umfang von 5 Seiten beigefügt ist, fehlt es an der im Rahmen der Erstattungspflicht maßgeblichen Notwendigkeit. Da diese Entscheidung - anders als die weiteren in den Anlagen enthaltenen Entscheidungen - in einer allgemein zugänglichen juristischen Fachzeitschrift (MDR) abgedruckt worden ist, war dessen Vorlage gegenüber dem Gericht und damit auch gegenüber dem Gegner nicht erforderlich (vgl. Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, a.a.O., Rz. 127). An der Notwendigkeit der Anfertigung der übrigen Anlagen für die Klägerin entsprechend ihrer prozessualen Verpflichtung nach § 133 Abs. 1 ZPO bestehen keine Zweifel.
Es verbleiben mithin 177 berücksichtigungsfähige Kopien. Ein Anspruch auf Ersatz der Auslagen nach Nr. 7000 Ziff. 1b) RVG-VV besteht allerdings nur für die Ablichtungen, die über die ersten 100 hinausgehen (Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, RVG, 19. Aufl., VV 7000 Rz. 62; Zöller/Herget, a.a.O.; Göttlich/Mümmler, RVG, 3. Aufl., S. 225). Dies ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut ("soweit"), zum anderen aus dem Umstand, dass das Gesetz die ersten 100 Ablichtungen zu den allgemeinen Geschäftskosten des Rechtsanwalts zählt und diese diesen Charakter nicht dadurch verlieren, dass weitere Ablichtungen hinzukommen (Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, a.a.O.). Der Senat hält mithin an der in der Einzelrichterentscheidung des damaligen Kostensenates des Hanseatischen OLG vom 7.8.2006 - 8 W 130/06 (MDR 2007, 244), vertretenen abweichenden Auffassung, wonach bei einer Anfertigung von mehr als 100 Ablichtungen alle Ablichtungen einschließlich der ersten 100 abzurechnen seien, nicht fest.
Demzufolge kann die Beklagte 77 Kopien gegenüber der Klägerin abrechnen und mithin einen Betrag von EUR 29,05 netto entsprechend EUR 34,57 brutto erstattet verlangen.
2. Zu Recht hat das LG die von der Beklagten angemeldeten Kosten für das vorprozessual eingeholte Gutachten des Sachverständigen ..., der der Beklagten einen Betrag von EUR 1.528,38 brutto für seine Tätigkeit in Rechnung gestellt hat, als erstattungsfähig angesehen.
Ein Anspruch auf Erstattung von Kosten eines vorprozessual beauftragten Privatsachverständigen kann nämlich auch dann bestehen, wenn bei Erteilung des Gutach...