Leitsatz (amtlich)
Die Verhängung einer strafrechtlichen Sanktion gemäß § 284 StGB wegen der Vermittlung von privaten Sportwetten an einen in Österreich konzessionierten Buchmacher verbietet sich derzeit aus verfassungs- und europarechtlichen Gründen.
Verfahrensgang
LG Hamburg (Entscheidung vom 09.03.2007; Aktenzeichen 632 KLs 3/07) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Hamburg vom 20. März 2007 gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg, Große Strafkammer 32, vom 9. März 2007, mit dem das Landgericht die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt hat, wird verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die den Angeschuldigten insoweit erwachsenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Gründe
I.
Den Angeschuldigten wird mit der Anklageschrift vom 1. Februar 2007 zur Last gelegt, in der Zeit zwischen Mai und Oktober 2006 ohne behördliche Erlaubnis öffentlich ein Glücksspiel veranstaltet oder die Einrichtung hierzu bereitgestellt zu haben, indem sie unter der Firmierung Q. ein Ladenlokal in Hamburg betrieben, in welchem sie spätestens seit dem 1. Mai 2006 ohne erforderliche behördliche Erlaubnis und trotz einer Untersagungsverfügung der zuständigen Finanzbehörde einer unbegrenzten Anzahl von Personen die Annahme und Vermittlung von sog. Oddset-Wetten (Sportwetten mit festen Gewinnquoten) an den Anbieter H. GmbH aus Österreich, der über eine gültige Bewilligung der Kärntner Landesregierung zum Abschluss und zur Vermittlung von Sportwetten für den Standort Klagenfurt verfügte, anboten und durchführten. Dabei sollen die Angeschuldigten gemeinschaftlich und gewerbsmäßig gehandelt sowie Provisionen und Gewinnanteile von insgesamt rund 18.000 EUR erhalten haben.
Mit Beschluss vom 9. März 2007 hat das Landgericht die Eröffnung des Hauptverfahrens aus rechtlichen Gründen abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Rechtsnorm des § 284 StGB auf die im Anklagesatz beschriebene Vermittlung von Sportwetten derzeit - jedenfalls hinsichtlich des angeklagten Zeitraums (Mai bis Oktober 2006) - nicht ohne Verstoß gegen höherrangiges Recht anwendbar sei. Denn die Strafvorschrift bedürfe für Fälle der vorliegenden Art aus verfassungs- und europarechtlichen Gründen einer einschränkenden Auslegung, die indes ihrerseits nicht mit dem im Strafrecht zu beachtenden Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 Abs.2 GG in Einklang zu bringen sei.
Gegen den Nichteröffnungsbeschluss, der der Staatsanwaltschaft am 16. März 2007 zugestellt worden ist, richtet sich die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft vom 20. März 2007. Die Staatsanwaltschaft ist der Ansicht, dass das strafrechtliche Verbot von privaten gewerblichen Sportwettenanbietern in Hamburg weder gegen Verfassungs- noch gegen Gemeinschaftsrecht verstoße. Die Vorschrift des § 284 StGB sei auch mit dem im Strafrecht zu beachtenden Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs.2 GG in Einklang zu bringen. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Urteil vom 28. März 2006 die Vorschrift des § 284 StGB nicht für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt, sondern sei im Gegenteil von dessen - auch strafrechtlicher - Gültigkeit ausgegangen. Die Veranstaltung eines Glücksspiels ohne Genehmigung sei in Hamburg auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 strafbar. Denn in Hamburg habe man - so wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert - unmittelbar nach diesem Urteil mit der Umsetzung der verfassungsrechtlichen Vorgaben zum Fortbestand des staatlichen Wettmonopols begonnen. Dieser für die Strafbarkeit maßgebliche Zeitpunkt - der Beginn der Umsetzung der verfassungsrechtlichen Vorgaben - sei klar bestimmbar und für den Betroffenen auch erkennbar.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, den Nichteröffnungsbeschluss aufzuheben und das Hauptverfahren zu eröffnen. Sie führt ergänzend aus, dass im Rahmen des § 284 StGB - wie auch in anderen Fällen strafrechtlicher Verwaltungsakzessorietät - die bloße Genehmigungsfähigkeit der Glücksspielveranstaltung, auf die aus verfassungs- und europarechtlichen Gründen der angefochtene Beschluss abstelle, nicht tatbestandsausschließend oder rechtfertigend wirken könne. Dem Bürger sei es ohne unverhältnismäßige Rechtsbeeinträchtigung zuzumuten, gegebenenfalls unter Inanspruchnahme der zuständigen Gerichte zunächst eine Genehmigung zum Betreiben eines Glücksspiels einzuholen und erst dann den Spielbetrieb aufzunehmen bzw. dies zu unterlassen, solange er keine Genehmigung besitze.
Die Angeschuldigten El. und E. beantragen, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen. Sie tragen vor, dass die Anwendung von § 284 StGB aufgrund der in der Anklageschrift beschriebenen und konkretisierten Vermittlung von Sportwetten an einen im EU-Ausland konzessionierten Anbieter gegen das Grundgesetz und gegen das Gemeinschaftsrecht verstoße.
II.
Die gemäß §§ 210 Abs.2, 311 Abs.2 StPO zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.
Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt. Eine Bestrafung der Ange...