Entscheidungsstichwort (Thema)
Entscheidungstitel "Dokumentenpauschale für Kopien von Anlagen und Gerichtsentscheidungen"
Leitsatz (amtlich)
1. Im Zivilprozess fällt die Dokumentenpauschale gemäß Ziff. 7000 Nr. 1b) VV RVG nicht für Kopien von solchen Anlagen an, die den übrigen Verfahrensbeteiligten bekannt sind. Hiervon ist auszugehen, wenn es sich um Schriftstücke aus Parallelverfahren handelt, die den Verfahrensbeteiligten bereits vorliegen (§ 133 Abs. 1 S. 2 ZPO).
2. Kosten für Kopien von Gerichtsentscheidungen, die für die übrigen Verfahrensbeteiligten hergestellt werden, sind nicht zu erstatten, wenn es sich um veröffentlichte und allgemein zugängliche Entscheidungen handelt.
Normenkette
RVG-VV Ziff. 7000 Nr. 1b
Verfahrensgang
LG Hamburg (Beschluss vom 05.01.2017; Aktenzeichen 330 O 145/15) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Hamburg vom 5.1.2017 in der Fassung des Beschlusses vom 13.2.2017 geändert:
Die von der Klägerin an die Beklagte zu 4) zu erstattenden Kosten werden auf EUR 2.208,41 nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.9.2016 festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Klägerin zu 28 % und die Beklagte zu 4) zu 72 %. Dies gilt auch für die Gerichtskosten. Die Gerichtsgebühr nach Ziff. 1812 KV GKG wird auf die Hälfte ermäßigt.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf EUR 773,50 festgesetzt.
Gründe
Die zulässige sofortige Beschwerde der Klägerin hat im erkannten Umfang Erfolg. Zu Recht beanstandet die Klägerin, dass der Beklagten zu 4) kein Anspruch auf Erstattung einer Dokumentenpauschale nach Ziff. 7000 Nr. 1b) VV RVG in Höhe von EUR 650.- zusteht.
1. In Höhe eines über EUR 319, 90 hinausgehenden Betrages hat die Beklagte zu 4) eingeräumt, dass die Geltendmachung von EUR 650.- gemäß dem geänderten Kostenfestsetzungsantrag vom 22.12.2016 auf einem Irrtum beruht habe; dementsprechend hat das LG der Beschwerde der Klägerin mit Beschluss vom 13.2.2017 bereits teilweise abgeholfen.
2. Auch die übrigen Beanstandungen der Beschwerde erweisen sich überwiegend als begründet:
a) Die Klägerin rügt zu Recht, dass die Beklagte zu 4) mit der Klagerwiderung vom 30.7.2015 für die übrigen Beklagten die jeweils 25-seitigen Klagschriften aus drei Parallelverfahren in Ablichtungen als Anlagen eingereicht habe und deren Kosten erstattet haben wolle, obwohl - unstreitig - die übrigen Beklagten auch Beklagte in den Parallelverfahren gewesen seien.
Nach Ziff. 7000 Nr. 1b) VV RVG fällt die Dokumentenpauschale für Kopien und Ausdrucke zur Zustellung oder Mitteilung an Gegner oder Beteiligte und Verfahrensbevollmächtigte aufgrund einer Rechtsvorschrift oder nach Aufforderung durch das Gericht, die Behörde oder die sonst das Verfahren führende Stelle an, soweit hierfür mehr als 100 Seiten zu fertigen waren. Im Zivilprozess richtet sich die Beifügung von Abschriften der Schriftsätze und Anlagen für die übrigen Verfahrensbeteiligten nach den §§ 131, 133 ZPO. Danach waren der Klagerwiderung zwar auch Abschriften der Klagerwiderung für die übrigen Beklagten als Streitgenossen beizufügen (MüKoZPO/Fritsche, 5. Aufl., § 133 Rn. 2), jedoch nicht solche Anlagen, die den Beklagten bereits bekannt waren (§§ 133 Abs. 1 S. 2 ZPO). Insoweit waren keine Kopien aufgrund einer Rechtsvorschrift zu fertigen, wie es Ziff. 7000 Nr. 1b) VV RVG verlangt. Da die Dokumentenpauschale insoweit bereits nicht angefallen ist, kann die Beklagte zu 4) auch nicht deren Erstattung verlangen.
Außerdem fehlt es an der Notwendigkeit dieser Kopiekosten, was als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal bei Ziff. 7000 Nr. 1b) VV RVG ebenfalls zu prüfen ist (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 22. Aufl., VV 7000, Rn. 101). Zwar braucht der Rechtsanwalt nach der Kommentierung von Müller-Rabe (Rn. 104), auf die sich die Beklagte zu 4) bezieht, keine Ermittlungen darüber anstellen, wenn zweifelhaft ist, ob bestimmte einzelne Schriftstücke dem Gegner bereits vorliegen, wenn der dafür erforderliche Aufwand in keinem vernünftigen Verhältnis zu den durch die Herstellung der Kopie entstehenden Kosten steht. Indessen ist hinsichtlich der Klagschriften aus den Parallelverfahren nicht nachvollziehbar, weshalb insoweit zweifelhaft sein sollte, ob diese Schriftstücke den übrigen Beklagten vorliegen oder nicht.
Somit sind insgesamt 225 Seiten (3 Klagschriften zu 25 Seiten × drei Beklagte) aus den Anlagen zum Schriftsatz vom 30.7.2015 gemäß der Aufstellung der Beklagten zu 4) nicht zu berücksichtigen (Anlage zum Kostenfestsetzungsantrag vom 13.9.2016).
Hingegen ist die Beifügung von Kopien der Klagschriften aus den Parallelverfahren für die Klägerin nicht zu beanstanden, da die Klägerin nicht Partei der Parallelverfahren war. Auf die Vertretung durch dieselben Prozessbevollmächtigten wie in den Parallelverfahren kommt es nicht an.
b) Ebenfalls zu Recht beanstandet die Klägerin, dass die Beklagte zu 4) für die übrigen Beklagten dem Schriftsatz...