Leitsatz (amtlich)
Die Kosten für die Zustellung einer einstweiligen Verfügung beim im EU-Ausland ansässigen Antragsgegner unter direkter Einschaltung eines Rechtsanwaltes und Gerichtsvollziehers am Ort der Zustellung sind erstattungsfähig. Die Wahl der Zustellart steht dem Antragsteller unter Beachtung der Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 frei, kann aber in Ausnahmefällen beschränkt werden (Missbrauchskontrolle).
Verfahrensgang
LG Hamburg (Beschluss vom 23.11.2005; Aktenzeichen 416 O 61/05) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Hamburg, Kammer 16 für Handelssachen, Geschäfts-Nr. 416 O 61/05, vom 23.11.2005 dahingehend abgeändert, dass an weiteren von der Antragsgegnerin an die Antragstellerin nach dem vollstreckbaren Beschluss des LG Hamburg vom 15.3.2005 zu erstattenden Kosten 587,10 EUR festgesetzt werden.
Die Kosten der Beschwerde trägt die Antragsgegnerin.
Gründe
I. Durch Beschluss vom 15.3.2006 hat das LG Hamburg, Kammer 16 für Handelssachen, Geschäfts-Nr. 416 O 61/05, der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens nach einem Streitwert von 250.000 EUR auferlegt. Diese wettbewerbsrechtliche einstweilige Verbotsverfügung im Beschlusswege hat die Antragstellerin bei der in Frankreich ansässigen Antragsgegnerin unter Einschaltung eines französischen Rechtsanwaltes und Gerichtsvollziehers zustellen lassen. Für diese Zustellung hat die Antragstellerin in ihrem Kostenfestsetzungsantrag vom 20.5.2005 u.a. folgende Kosten i.H.v. insgesamt 733,60 EUR in Ansatz gebracht:
Gebühr des auswärtigen Anwalts zur Bewirkung der Zustellung im Ausland (0,3) 615,60 EUR
Kosten des französischen Gerichtsvollziehers 118,00 EUR.
Die Beauftragung eines Anwaltes und eines Gerichtsvollziehers am Ort der Zustellung (Paris) hat die Antragstellerin damit begründet, dass allein durch diese Zustellungsart die Versäumung der Vollziehungsfrist mit Sicherheit zu vermeiden gewesen wäre. Das LG hat diesem Kostenantrag im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 23.11.2005 nur zum Teil stattgegeben, der dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin am 23.12.2005 zugestellt worden ist. Die Kosten der Zustellung der einstweiligen Verfügung hat das LG lediglich i.H.v. 146,50 EUR festgesetzt. Zur Begründung hat das LG ausgeführt, dass nur Zustellkosten in der Höhe erstattungsfähig seien, die für eine diplomatische Zustellung in Frankreich entstanden wären (27,50 EUR an Übersetzungskosten + 69 EUR an Zustellkosten für den französischen Gerichtsvollzieher + 50 EUR an Verwaltungskosten). Diese Zustellart wäre ausreichend gewesen. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 5.1.2006.
II. Die fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 5.1.2006, ist zulässig und begründet.
Die Antragstellerin kann von der Antragsgegnerin nach der Kostengrundentscheidung in der Beschlussverfügung des LG Hamburg, Kammer 16 für Handelssachen, Geschäfts-Nr. 416 O 61/05, vom 15.3.2006 die mit ihrem Kostenfestsetzungsantrag vom 20.5.2005 geltend gemachten Zustellkosten i.H.v. insgesamt 733,60 EUR erstattet verlangen. Bei diesen Kosten handelt es sich entgegen der Ansicht des LG und der Antragsgegnerin um Kosten, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin gem. § 91 Abs. 1 ZPO notwendig waren.
Die Antragstellerin kann sich insoweit mit Recht auf die Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29.5.2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten stützen. Darin sind als andere Arten der Übermittlung und Zustellung gerichtlicher Schriftstücke die Übermittlung auf konsularischem oder diplomatischem Weg (Art. 12 VO 1348/2000), die Zustellung von Schriftstücken durch diplomatische oder konsularische Vertretungen (Art. 13 VO 1348/2000), die Zustellung durch die Post (Art. 14 VO 1348/2000) und eben die unmittelbare Zustellung durch Amtspersonen, Beamte oder sonstige zuständige Personen des Empfangsmitgliedstaats (Art. 15 VO 1348/2000) genannt.
Soweit das LG und die Antragsgegnerin meinen, dass die Antragstellerin den Weg der diplomatischen Zustellung oder der Postzustellung hätte wählen können bzw. Zustellkosten nur bis zu Höhe der dabei entstandenen Kosten erstattungsfähig seien, verkennen sie zum einen, dass die genannte EG-Verordnung, die mit den Art. 12 bis 15 VO 1348/2000 ein Wahlrecht eröffnet, nach Art. 249 Abs. 2 EG in allen ihren Teilen verbindlich ist und unmittelbar geltendes Recht begründet, sowie zum anderen die Besonderheiten des einstweiligen Verfügungsverfahrens.
Dass die Antragstellerin sich bei der Wahl der Zustellart an die Vorgaben der EG-Verordnung hielt und sich in Ausübung ihres Wahlrechts für den Weg der unmittelbaren Zustellung nach Art. 15 VO 1348/2000 unter direkter Einschaltung eines Gerichtsvollziehers am Ort der Zustellung entschied, spricht als solches bereits für eine Erstattungsfähigkeit der dabei entstandenen Kosten. Die unmittelbare oder...