Leitsatz (amtlich)

1. Die gegenüber einem Gericht durch den Vertreter eines Nebenbeteiligten auf den Hinweis eines Verstoßes gegen § 146 StPO hin erklärte Niederlegung seines Mandats führt zum Erlöschen einer zuvor erteilten schriftlichen Vollmacht.

2. Ein gleichwohl weitergeführtes und insoweit verborgen gehaltenes Mandatsverhältnis mit dem Nebenbeteiligten im "Innenverhältnis" ist wegen Verstoßes gegen § 146 StPO nichtig (§ 134 BGB).

3. Eine irrtümliche, instanzübergreifende Akzeptanz des vollmachtlosen Vertreters eines Nebenbeteiligten lässt als rechtsfehlerhafte Sachbehandlung der Justiz die gesetzlichen Formvorgaben des § 434 Abs. 1 Satz 1 unberührt. Das insoweit enttäuschtes Vertrauen ist allerdings im Rahmen eines etwaigen Wiedereinsetzungsantrags (§§ 44, 45 StPO) bei der Prüfung einer unverschuldeten Fristversäumnis zu berücksichtigen.

 

Normenkette

StPO § 434 Abs. 1 S. 1, § 442 Abs. 1, §§ 146, 44-45; BGB § 134

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Entscheidung vom 20.12.2011; Aktenzeichen 1 Ss 143/12)

 

Tenor

Die von Rechtsanwalt B. als vollmachtlosem Vertreter namens der Nebenbeteiligten eingelegte Revision gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kleine Strafkammer 2, vom 20. Dezember 2011 wird auf seine Kosten nach § 349 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen.

 

Gründe

Das Landgericht Hamburg hat mit Urteil vom 20. Dezember 2011 das von der Staatsanwaltschaft mit der Berufung angefochtene freisprechende Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Blankenese vom 31. Januar 2011 mit der Maßgabe aufgehoben, dass gegen die Nebenbeteiligte der Wertersatzverfall in Höhe von EUR 120.000 angeordnet wird; im Übrigen hat es die Berufung als unbegründet verworfen. Die hiergegen gerichtete Revision ist unzulässig (§ 349 Abs. 1 StPO).

1. Die Revision ist nicht wirksam eingelegt worden. Zwar hat Rechtsanwalt B. am 22. Dezember 2011 beim Landgericht Hamburg mittels Schriftsatz erklärt, "namens und in Vollmacht" für die Nebenbeteiligte das Rechtsmittel der Revision gegen das Berufungsurteil einzulegen. Diese Erklärung ist der Nebenbeteiligten aber nicht zurechenbar.

a) Lässt sich ein Verfallsbeteiligter durch einen Rechtsanwalt oder eine andere Person, die als Verteidiger gewählt werden kann, vertreten, bedarf es für die Rechtswirksamkeit des Vertreterhandelns einer schriftlichen Vollmacht (§ 442 Abs. 1 i.V.m. § 434 Abs. 1 Satz 1 StPO). Erst mit der schriftlichen Vollmacht kann - anders als regelmäßig bei einem gewählten Verteidiger (vgl. etwa Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., Vor § 137 Rn. 9; Lüderssen/Jahn in LR, 26. Aufl., § 138 Rn. 13 und Vor § 137 Rn. 107, jeweils m.w.N.) - eine Prozesserklärung des Vertreters wirken (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 434 Rn. 1; KMR-Metzger, StPO [Mai 2006], § 434 Rn. 3; HK-Kurth/Pollähne, StPO, 5. Aufl., § 434 Rn. 2).

b) Daran fehlt es hier.

aa) Zwar hatte die Nebenbeteiligte Rechtsanwalt B. ursprünglich am 16. April 2009 eine schriftliche Vollmacht zum Zwecke ihrer Vertretung in dem hier anhängigen Strafverfahren erteilt. Diese Vollmacht war aber durch Erklärung von Rechtsanwalt B. zu Protokoll der Geschäftsstelle am 17. Juni 2009 erloschen. Ersichtlich als Reaktion auf den zuvor - mit Recht (vgl. OLG Düsseldorf, NStZ 1988, 289f.; KMR-Metzger, a.a.O., Rn. 5) - erfolgten Hinweis der Staatsanwaltschaft, dass die zunächst ebenfalls von Rechtsanwalt B. übernommene Verteidigung des seinerzeit der Tatbeteiligung beschuldigten Geschäftsführers der Nebenbeteiligten neben einer Vertretung der verfallsbeteiligten Gesellschaft wegen eines Verstoßes gegen § 146 StPO unzulässig ist, hatte Rechtsanwalt B. erklärt, dass er die Nebenbeteiligte "nicht mehr vertrete"; das Mandat habe Rechtsanwalt K. "übernommen" (Bl. 336 d.A.). Dieser teilte seinerseits am selben Tag dem Gericht mit: "Das Mandat des Kollegen [...] besteht nicht mehr" (Bl. 338 d.A.). Mit dieser Mandatsniederlegung war auch die zuvor erteilte schriftliche Vollmacht beendet (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Januar 1978 - 5 StR 29/78, MDR [H] 1978, 461; OLG Düsseldorf, NStZ 1984, 524).

bb) Die ursprünglich erteilte schriftliche Vollmacht wirkte auch nicht etwa auf Grund einer entsprechenden Abrede zwischen den Rechtsanwälten und der Nebenbeteiligten im "Innenverhältnis" fort.

Hierzu führt Rechtsanwalt B. in der Revision aus, dass er seine Tätigkeit als Vertreter der Nebenbeteiligten damals lediglich im "Außenverhältnis" beendet habe, allerdings im "Innenverhältnis [...] nach wie vor auch für die Nebenbeteiligte tätig" gewesen sei (Bl. 722 d.A.). Nach Einstellung des Verfahrens gegen ihren Geschäftsführer (§ 170 Abs. 2 StPO) habe er das Mandat der Nebenbeteiligten unter - vermeintlich wirksamer - Fortgeltung der ursprünglich erteilten schriftlichen Vollmacht auch im "Außenverhältnis" erneut wahrgenommen.

Für dieses Vorbringen ist bereits aus tatsächlichen Gründen mit Blick auf die von den Rechtsanwälten B. und K. abgegebenen, jeweils gerade eine vollständige Mandatsniederlegung zum Ausdruck bringenden Erklärungen kein Raum. Überdies hat Rechtsanwalt B. bei seiner erneuten Mandat...

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